Wie Abwärme aus dem Stahlwerk beim Bierbrauen hilft

Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaft entstehen im Ruhrgebiet ungewöhnliche Partnerschaften. Dank einer Kooperation mit thyssenkrupp Steel und E.ON braut die König-Brauerei künftig Bier mit deutlich weniger CO2-Emissionen.

Bei der Transformation zu einer klimagerechten Wirtschaft gehen drei Partner*innen in der Metropole Ruhr neue Wege: der Stahlhersteller thyssenkrupp Steel, der Energieversorger E.ON und die zur Bitburger Braugruppe gehörende König-Brauerei. Bei der Stahlproduktion entstehende industrielle Abwärme soll durch eine neue, von E.ON betriebene Dampfübernahmeleitung in die Brauerei geführt werden. Dort wird der Dampf beim Bierbrauen genutzt. Das Projekt wird vom Bundeswirtschaftsministerium im Rahmen des Wettbewerbs Energieeffizienz gefördert und trägt zur Vermeidung von CO2-Emissionen bei. Die Kooperation ist ein Beispiel dafür, dass die Unternehmen im Ruhrgebiet auch ungewöhnliche Partnerschaften eingehen, um die Transformation der Wirtschaft voranzubringen.

Abwärme statt Kohlenstaub

thyssenkrupp Steel betreibt in Duisburg das Kraftwerk Ruhrort als Teil eines integrierten Energieverbundes. In das Rohrleitungsnetz des Verbundes wird von verschiedenen Erzeugern, wie zum Beispiel den Stahlwerken, Dampf eingeleitet. Ein Teil dieser Abwärme wird über eine neue, von E.ON zu bauende Leitung zur König-Brauerei transportiert. Dort wird die Abwärme in Prozessdampf umgewandelt, um damit unter anderem die Bierwürze im Sudhaus zu kochen. Um den benötigen Dampf zu erzeugen, wird in der Brauerei bislang Kohlenstaub verfeuert. Derzeit erfolgt der Bau der Leitungsinfrastruktur. E.ON plant parallel dazu die erforderliche, neue Dampfumformungsanlage, die Anfang 2022 errichtet werden soll. Starten soll die neue Energieversorgung der Brauerei am 23. April 2022 – dann ist der Tag des Deutschen Bieres.

König-Brauerei senkt CO2-Emissionen um 75 Prozent

Bereits seit Ende 2020 braut die Bitburger Braugruppe, zu der die König-Brauerei gehört, an allen ihren Standorten klimaneutral. Dieses Ziel wurde vor allem durch das Verringern von CO2-Emissionen erreicht. Technisch noch nicht vermeidbare Emissionen werden kompensiert. „Künftig reduzieren wir in der König-Brauerei die aktuell noch entstehenden CO2-Emissionen durch die Energieversorgung mit Abwärme um rund 75 Prozent“, sagt Jan Niewodniczanski, Geschäftsführer Technik und Umwelt der Bitburger Braugruppe. „Die König-Brauerei wird durch diese massive Reduzierung zu einer der nachhaltigsten Brauereien in Deutschland.“

Klimaschutz vor der Haustür

thyssenkrupp Steel hat einen hohen Energiebedarf und erforscht derzeit, wie künftig „grüner“ Stahl produziert werden kann, der mit aus erneuerbaren Energien gewonnenem Wasserstoff hergestellt wird. Auch auf anderen Feldern will Deutschlands größter Stahlhersteller Emissionen reduzieren. Die Kooperation mit E.ON und der König-Brauerei sei ein zukunftsweisendes Beispiel. „Global denken, lokal handeln“, sagt Arnd Köfler, Produktionsvorstand von thyssenkrupp Steel. „Das ist ein in der Nachbarschaft entstandenes Projekt, mit dem wir gemeinsam ganz konkret Klimaschutz vor Ort betreiben. Die König-Brauerei als mittelständischer Partner, in Sichtweite unseres Werks, kann dafür ein Vorbild werden. Wir haben hier zusammen über Unternehmensgrenzen hinausgedacht.“

Richtungsweisendes Beispiel für Sektorkopplung

E.ON ist als eines der größten deutschen Energieunternehmen im Bereich Energienetze und Kundenlösungen aktiv und bringt die nötige Expertise für die Dampfleitung mit. Auch für E.ON ist das Projekt wegweisend, betont Vorstand Patrick Lammers: „Wir starten gemeinsam ein Vorzeige-CO2-Einsparprojekt dreier Traditionsunternehmen für die Metropole Ruhr. Das ist ein richtungsweisendes Projekt für die Wärmewende und prägnantes Beispiel zu mehr Nachhaltigkeit mittels Sektorkopplung. So wird die Energiewende lokal sichtbar.“

Sektorkopplung

Werden verschiedene Elemente aus Energiewirtschaft, Verkehr und Industrie zusammengeführt, um Energie effizienter zu nutzen, wird von Sektorkopplung gesprochen. Herkömmlicherweise werden die Sektoren Elektrizität, Wärme- und Kälteversorgung, Mobilität und Produktion weitgehend unabhängig voneinander betrachtet. Angesichts des Klimawandels werden verschiedene Ansätze entwickelt, um die Energieeffizienz der industriellen Prozesse mittels Sektorkopplung zu steigern, indem etwa Abwärme von Kraftwerken in der Industrie genutzt werden. Das Konzept ist nicht neu: Überschüssige Energie aus Kraftwerken wird für Fernwärme in Deutschland schon seit mehr als 100 Jahren genutzt. Doch durch die Klimaschutzerfordernisse werden in jüngster Zeit neue Wege erprobt. Zum Beispiel wird überschüssiger Strom zur Erzeugung von Wasserstoff oder Chemikalien genutzt oder auch zum Antrieb von Elektrofahrzeugen. Neu ist auch, dass bisher eher selten kooperierende Industrien (hier: Stahl und Getränke) in ganzheitlichen Konzepten zusammen gedacht werden.

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