Zeche, Zafiras, Zukunftstechnologien

Als die ehemalige Zeche Dannenbaum geschlossen wurde, kam Opel. Als das Opelwerk geschlossen wurde, brauchte die Stadt Bochum gute Ideen. Jetzt entsteht auf dem MARK 51°7 genannten Areal ein Quartier für innovative Firmen und Forschungsinstitute, die bis zu 10.000 neue Stellen schaffen wollen.

Dass Strukturwandel keine Episode ist, die man schnell hinter sich bringt, wissen die Bochumer*innen seit den 50er-Jahren. Damals ging es mit der Steinkohle bergab und die Stadt musste neue Chancen ergreifen. Doch auch das Opelwerk, das auf dem ehemaligen Gelände der Zeche Dannenbaum entstand, war nur eine Zwischenlösung. Heute entwickelt die Stadt dort ein Zukunftsquartier für Wirtschaft und Wissenschaft. Unter den bereits erfolgten Ansiedlungen sind viele innovative IT-Firmen mit hochqualifiziertem Personal.

Die Zeit des schwarzen Goldes

Kohle wurde in Bochum schon um das Jahr 1500 abgebaut, bis ins frühe 19. Jahrhundert bleiben Stadt und Region aber ländlich geprägt. Doch dann treibt der stetige Ausbau von Zechen wie "Dannenbaum" und "Präsident", eine der ersten Tiefbauzechen des Ruhrgebiets, die Industrialisierung der Stadt voran. Hinzu kommt die Stahlindustrie als wichtiger Wirtschaftsfaktor. Die Bevölkerung Bochums wächst zwischen 1880 und 1930 von 33.000 auf über 320.000 Bewohner*innen.

1910 - 1958: Höhepunkt und Krise

Um das Jahr 1910 erreicht die Zeche Dannenbaum ihre höchste Jahresleistung – mehr als 700.000 Tonnen Steinkohle werden gefördert. Rund 3.000 Menschen arbeiten zu diesem Zeitpunkt auf der Zeche. In den Folgejahren sinken die Erträge und die Zahl der Beschäftigten halbiert sich. In der "Kohlekrise" der 50er-Jahre wird die Zeche Dannenbaum unrentabel, 1958 wird sie geschlossen.

1963: Der Kadett kommt

Die Stadt lässt die Fläche sanieren und in Zeiten des Wirtschaftswunders ist eine Käuferin bald gefunden: Die Adam Opel AG, damals Teil von General Motors, kauft das Areal 1960 für 1,2 Millionen D-Mark. 1963 rollt der erste Opel Kadett vom Hof, es folgen Modelle wie Manta, Ascona und Zafira. 1992 erreicht das Werk mit 362.000 Fahrzeugen seine höchste Produktionsleistung. Am Opel-Standort Bochum mit seinen insgesamt drei Werken arbeiten in diesen Tagen rund 20.000 Personen. Doch die zunehmende Automatisierung der Branche kostet zusehends Arbeitsplätze.

Die Fläche wird die neue Heimat von Start-ups und DAX-Unternehmen.
Thomas Eiskirch, Oberbürgermeister Bochum

2014: Der letzte Zafira

Im globalisierten Automarkt setzt Konzernmutter GM seit den 2000er-Jahren verstärkt auf andere Standorte und baut in Bochum in mehreren Wellen etliche Stellen ab. Am Ende sind es noch rund dreieinhalb tausend Menschen, die am Standort arbeiten, als das Werk Ende 2014 geschlossen wird. Auch in Zuliefererbetrieben sind viele Beschäftigte betroffen. Im Dezember 2014 läuft in Bochum der letzte Zafira vom Band.

2015: Aus Zeche wird Opel wird MARK 51°7

Das Wirtschaftswunder ist längst vorbei und kein Großinvestor in Sicht, der die verlorenen Arbeitsplätze auf einen Schlag ersetzen könnte. Doch die Stadt schreibt den Standort nicht ab und erfindet ihn gemeinsam mit Opel neu. Das Areal, das jetzt unter Bezug auf die geografischen Koordinaten unter dem Namen MARK 51°7 vermarktet wird, soll Standort für wissensgenerierte Wirtschaft werden – für Forschung, moderne Dienstleistungen und Industrie 4.0. Mitte 2015 wird die Fläche von Opel an die Bochum Perspektive 2022 übergeben. Die gemeinsame Gesellschaft der Stadt Bochum und Opel soll MARK 51°7 als Leuchtturmprojekt entwickeln. Schon im Jahr darauf kann deswegen mit dem Abriss der nicht mehr benötigten Werkhallen die Umgestaltung des Geländes beginnen.

2017: Die Post ist da

Als erster großer Ansiedlungserfolg beginnt Die Deutsche Post DHL mit dem Bau eines großen Paketzentrums mit modernster Technik. Auf dem ehemaligen Zechengelände entstehen rund 600 Arbeitsplätze, in dem bis zu 50.000 Sendungen pro Stunde sortiert werden können.

2018 - 2021: Programmieren statt Montieren

Die ESCRYPT GmbH, ein Unternehmen der Bosch-Gruppe, das Cybersecurity-Lösungen im Automotive-Bereich entwickelt, gibt bekannt, eine neue Unternehmenszentrale auf dem MARK 51°7 Areal zu planen. Dort können in Zukunft bis zu 2.000 Beschäftigte arbeiten. Die frühere Ausgründung der Ruhr-Universität Bochum (RUB) ist eines der Aushängeschilder der in der Stadt stark vertretenen IT-Sicherheitsbranche. Unter anderem stärken auch VW Infotainment und SCYSIS, ein IT-Dienstleister für Raumfahrttechnologie, sowie der Online-Handel babymarkt.de den IT-Standort. Mit dem neuen Max-Planck-Institut für Cybersicherheit und Schutz der Privatsphäre ziehen renommierte Wissenschaftler*innen in die Nachbarschaft und die RUB richtet im ehemaligen Opel-Verwaltungsgebäude (heute: O-Werk) einen Makerspace ein, in dem Studierende ihre Ideen ausprobieren können.

2022: Sorry, wir sind ausgebucht

Von den knapp 44 Hektar vermarktbarer Fläche des ehemaligen Opel-Geländes sind  mittlerweile 96 Prozent vermarktet. Nur noch vier Prozent der Fläche sind verfügbar. 1.600 neue Arbeitsplätze wurden bereits geschaffen. Werden die bisherigen Investitionszusagen eingehalten, entstehen dort in den kommenden Jahren bis zu 10.000 Arbeitsplätze – das wären dreimal so viele Stellen, wie es zuletzt bei Opel gab. Die bisher angesiedelten Unternehmen und Institute aus Zukunftsbranchen machen den Verantwortlichen Mut. "Wo früher Kohle gefördert und dann Autos gebaut wurden, schaffen wissensbasierte Unternehmen neue, zukunftsfähige Arbeitsplätze", sagt Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch. "Die Fläche wird die neue Heimat von Start-ups und DAX-Unternehmen. Es entsteht Beschäftigung und Arbeit in einem breiten Spektrum: von verarbeitender Industrie über Logistik und Dienstleistung bis hin zur Spitzenforschung."

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