Wasserstoff-Pionier*innen im Einsatz

Drei Gründer*innen, 13 Mitarbeitende, eine Vision: WEW will die Wasserstoff-Branche weiter voranbringen. Ein Porträt über das Start-up und seine drei Gründer*innen.

Anders als viele Gründungsgeschichten beginnt die des Dortmunder Start-ups WEW nicht in einer Garage, sondern im Garten am Grill. Es ist August 2020, die Bundesregierung hat gerade die Nationale Wasserstoffstrategie veröffentlicht, als Wiebke Lüke gemeinsam mit Gregor Polcyn und Lukas Lüke grillt. Sie kennen sich von einem Projekt bei thyssenkrupp. "Die Idee basiert im wahrsten Sinne auf einer Bierlaune", erinnert sich Mitgründerin und Geschäftsführerin Wiebke Lüke. "Wir drei haben jeweils mehr als zehn Jahre Erfahrung im Bereich Wasserstoff und witzelten deshalb herum, dass das nun der perfekte Zeitpunkt sei, um sich selbstständig zu machen." Schließlich verspricht die Regierung neun Milliarden Euro Fördergeld und es bahnt sich ein Aufschwung der Branche an. "Als Gregor mich am nächsten Tag anrief, wurde mir bewusst, dass das Ganze nicht bei einer Bierlaune bleiben sollte."

Die Geschäftsidee: den für die Wasserstoffelektrolyse benötigten Stack als Standardmodul entwickeln, produzieren und künftig vertreiben. Der Stack ist das Herzstück der Wasserelektrolyse. In dem Elektrolysezellenstapel wird unter Nutzung von erneuerbaren Energien Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. "Da passiert die Magie", sagt Geschäftsführer Polcyn. Der gewonnene Wasserstoff kann dann als Energieträger eingesetzt werden. "Wir haben ein enormes Know-how in diesem Bereich. Und das ist deutschland- sowie weltweit noch recht spärlich verteilt", sagt er.

"We make green hydrogen possible"

Also gründen Wiebke Lüke, Gregor Polcyn und Lukas Lüke Anfang 2021 gemeinsam die WEW GmbH mit Firmensitz auf Phoenix West im Technologiezentrum der Stadt Dortmund. Die Mission: We make green hydrogen possible - Wir machen Wasserstoff möglich. Eineinhalb Jahre später arbeiten neben den drei Gründer*innen 13 Mitarbeitende bei der WEW GmbH. Und wie die Mission es schon sagt: Sie verstehen sich als Enabler, als Ermöglicher*innen, denn: Ihr Produkt soll vor allem mittelständische Unternehmen dabei unterstützen, selbst im Wasserstoff-Markt Fuß zu fassen – und so die gesamte Wasserstoffindustrie vorantreiben.

Wasserstoff-Wissen

Zukunftsenergie: Was ist grüner Wasserstoff?

Expert*innen sind sich sicher: Grüner Wasserstoff ist sauber, sicher und hat das Potenzial, der Motor der Energiewende zu sein. Doch was steckt eigentlich genau dahinter?

"Wasserstoff ist chemisch gesehen das häufigste Element des Universums. Es ist farb- und geruchlos, wenn es als Molekül vorkommt. Der Vorteil, den Wasserstoff hat, ist, dass er ein Energieträger ist. Heißt, er kann ähnlich eingesetzt werden wie Erdgas – sowohl für die Energiegewinnung als auch für die -speicherung. Und genau das macht Wasserstoff so unfassbar interessant, weil er vielfältig nutzbar ist. Ähnlich, wie man das heutzutage von Erdgas kennt", sagt Wiebke Lüke. 

"Wasserstoff ist ein hochenergetisches Gas, was in unserer Energiewirtschaft ideal als Brennstoff oder Energieträger genutzt werden kann. Es kann einfach aus Wasser gewonnen werden. Und wenn es verbrannt wird, entsteht wieder Wasser. Bei Methan oder Erdgas haben wir immer diese CO2-Problematik, und das haben wir beim Wasserstoff nicht. Außerdem kann man Wasserstoff einfach speichern und damit langfristig das Erdgas-System, das wir kennen, ersetzen. Nur so können wir unseren Luxus weiter gewährleisten, also zu heizen, wann wir möchten, und Auto zu fahren, wann wir möchten - und nicht nur dann, wenn die Sonne scheint", sagt Gregor Polcyn.

Synergien durch branchenübergreifende Zusammenarbeit

Wiebke Lüke vergleicht das WEW-Modell mit dem E-Bike-Markt. Als vor einigen Jahren E-Bikes in den Trend kamen, waren Fahrradhersteller*innen herausgefordert: Schließlich wussten die zwar, wie sie Fahrräder bauen, aber nicht, wie sie benötigten Motor und Akku herstellen. Das Technologieunternehmen Bosch hat darin eine Marktlücke erkannt – und bietet als Zuliefererbetrieb inzwischen Antriebe an, die für viele Fahrradhersteller zur Standardkomponente für E-Bikes geworden sind. "So konnten Fahrradhersteller einfach und mit eigener Kraft in einen schnellwachsenden Markt einsteigen", sagt sie. "Und genau das wollen wir Unternehmen für den Wasserstoffsektor ermöglichen." WEWs Standardkomponente ist dabei der Stack inklusive Anleitung, im Anlagenbau "Process Design Package" genannt. Das Ganze ist standardisiert und demnach kostengünstiger. Das Grunddesign ist auf einen breiten Anwendungsbereich ausgelegt.

Eng verzahnt mit dem Mittelstand

Die Produktentwickler*innen von WEW arbeiten mit regionalen Unternehmen aus dem Anlagenbau zusammen – schließlich sind sie die Zielgruppe. "Der Mittelstand ist ein hoch innovatives Umfeld. Sie sind schnell in ihrer Entscheidungsfähigkeit und können ein neues Produkt, bei dem sie unseren Stack integrieren, rasch beschließen, ohne vorher langwierige Prozesse und Abstimmungsrunden durchlaufen zu müssen", sagt Polcyn. Das Gründer*innen-Team sieht Potenzial, dass der Mittelstand freudiger auf den Stack reagiert als große Unternehmen. Über den engen Austausch mit den Vertreter*innen bauen sich Netzwerke auf – zum einen mit den Unternehmen, zum anderen mit Verbänden wie dem Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW). So wollen sie ihre Arbeit sowie die Entwicklungen am Wasserstoff-Markt breitflächig verständlicher machen. "Der deutsche Mittelstand klagt momentan stark darüber, dass sie sich im Bereich Wasserstoff platzieren wollen, aber nicht genau wissen, wie", erklärt Gründerin Lüke. "Und hier leisten wir Aufklärungsarbeit." Auch, wenn es um das Thema öffentliches Fördergeld und die Antragsstellung geht.

Wir haben mittlerweile verstanden, dass wir unser Energiesystem umstellen müssen. Wasserstoff wird eine Schlüsselrolle spielen.
Wiebke Lüke, Gründerin und Geschäftsführerin von WEW

Viel bewirken – vom Ruhrgebiet aus

Polcyn und Wiebke Lüke gehen davon aus, dass die Lernkurve bis 2030 abgeschlossen und so beispielsweise keine Fördermaßnahmen sowie keine Aufklärungsarbeit mehr nötig sind. "Ich denke, erst dann werden wir weniger Aufklärungsarbeit leisten müssen und ein klassisches Geschäftsmodell umsetzen", sagt Geschäftsführerin Lüke. Den Unternehmensstandort Dortmund will das Team langfristig behalten. "Es findet gerade ein sehr wichtiger Strukturwandel statt – weg von Kohle und Stahl hin zu Greentech. Und das Ruhrgebiet ist mit seiner Vielzahl an Hidden Champions wie gemacht für unseren langfristigen Standort." Auch die dichte Hochschullandschaft bringe einige Vorteile. "Ein Zurück zum alten Energie-System wird nicht mehr funktionieren, wir stecken mittendrin in der wichtigen Energie-Transformation", sagt Wiebke Lüke. "Und die schaffen wir von hier aus."  

Starke Marke, starkes Netzwerk

Das Dortmunder Team pflegt Netzwerke auf verschiedenen Ebenen: so beispielsweise auch mit der Forschung. Weil das Bundesministerium für Bildung und Forschung das Start-up fördert, profitiert WEW von akademischen Expertisen, ohne gleich selbst mehr Personal einzustellen und finanzieren zu müssen. "Das ist vor allem in der Phase als junges Unternehmen, in der wir noch keine Produkte verkaufen, sehr hilfreich", sagt Wiebke Lüke. Diese Verbindungen nutzen die Drei ebenfalls, um ihr eigenes Wissen und Know-how im Bereich Wasserstoff zu vermitteln. Im Forschungsbereich leiten sie einen Forschungsverbund im Rahmen der Wasserstoffrepublik Deutschland innerhalb eines der drei großen Wasserstoffprojekte, nämlich H2Giga. Bei diesem Leitprojekt geht es darum, die serienmäßige Herstellung von Elektrolyseuren zu unterstützen.

In Zusammenarbeit mit Entscheidungsträger*innen

Ein weiteres wichtiges Netzwerk: die Politik. "Wasserstoff ist momentan ein hochgradig politisches Thema. Es gilt, viele Hürden zu überwinden, damit das Element wirklich eine positive Wertschöpfung in Deutschland erlebt", sagt Wiebke Lüke. "Dafür ist es unheimlich wichtig, dass wir aus dem unternehmerischen Wasserstoffbereich Themen in die Politik geben können." Das WEW-Team tauscht sich deshalb regelmäßig sowohl mit Vertreter*innen der Lokalpolitik als auch mit denen der Bundesregierung aus – und stellt so Weichen für die Wasserstoffzukunft.

+++ Zur Person +++

Gregor Polcyn: der Chemiker

Gregor Polcyn ist Gründer und Geschäftsführer des jungen Unternehmens. Bereits seit mehr als 15 Jahren entwickelt er elektrochemische Systeme und strukturiert globale Prozesse. 

Bei thyssenkrupp hat er lange den Bereich der Elektrolyse weiterentwickelt und darüber 2015 Lukas Lüke kennengelernt. Bei WEW verantwortet er die Technologie und Fertigung. Der studierte Chemiker hat an der TU Dortmund in technischer Elektrochemie promoviert.

+++ Zur Person +++

Wiebke Lüke: die Elektrochemikerin

Wiebke Lüke ist Gründerin und Geschäftsführerin von WEW. Nachdem sie zuerst an der RWTH Aachen promoviert und zu Wasserstoff geforscht hat, ging sie ihren beruflichen Weg über ein großes Unternehmen in die Selbstständigkeit. 

Bereits seit 15 Jahren widmet sie sich Wasserstoff, insbesondere in den Themen der Wasserstoff-, sowie PtX-Technologien – also Technologien, die Strom in anderen Energieformen überführen. Außerdem hat sie öffentlich geförderte Großprojekte geleitet. Sie gilt als wichtige Netzwerkerin in der Branche. Bei WEW verantwortet sie die Entwicklung, das Marketing und die Koordination der Förderprojekte.

+++ Zur Person +++

Lukas Lüke: der Maschinenbauingenieur

Lukas Lüke ist der dritte Geschäftsführer im Gründungsbund und das Bindeglied zwischen den Dreien. Als Maschinenbauingenieur ist die Verfahrenstechnik sein Spezialgebiet. 

Bei WEW verantwortet er als Geschäftsführer das Business Development und die System-Integration. Mehr als zehn Jahre beschäftigt er sich mit Wasserstoff-Technologien – insbesondere in der Geschäftsentwicklung, dem Produktmanagement und der Strukturierung von Großprojekten. Er hat an der RWTH Aachen promoviert.

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