Hörde: Dortmunder Stadtteil mit Geschichte

Ohne Hörde wäre Dortmund nicht das, was es heute ist. Der Stadtteil im Süden ist ein Ort mit wechselvoller Geschichte, der das Bild der Stadt entscheidend geprägt hat und zeigt, was Wandel im Ruhrgebiet bedeutet.

12. bis 19. Jahrhundert: Wo Flüsse zusammenfließen, ist immer ein guter Ort für eine Ansiedlung. Das gilt auch für den Ort, an dem der Hörder Bach in die Emscher fließt. An diesem Ort beginnt die Geschichte von Hörde mit dem Bau eines Burgturms. 1198 wird die Burg erstmals urkundlich erwähnt. 1340 wird Hörde das Stadtrecht verliehen. Es ist die Zeit, in der es immer wieder zu Konflikten mit der benachbarten Stadt Dortmund kommt, die versucht, die Hörder Burg einzunehmen. In den folgenden Jahrhunderten wechseln ihre Besitzer, wird sie umgebaut, brennen Teile der Burg ab, wird sie wieder aufgebaut.

1840: Ein Fabrikant aus dem nicht weit entfernten Iserlohn interessiert sich für die Burg. Hermann Diedrich Piepenstock kauft sie, richtet dort ein Puddel- und Walzwerk ein und macht mit der Burg die gesamte Stadt Hörde zu einem Ort des Stahls. In der nach Piepenstock benannten Hermannshütte nehmen Arbeiter 1843 die Stahlproduktion auf. Das Werk östlich der Hörde Burg gilt heute als Wiege der deutschen Stahlindustrie und wird später unter dem Namen Phoenix-Ost bekannt.

Rasante Entwicklung: Hat Hörde um 1800 rund 900 Einwohner*innen, sind es 1885 bereits 15.000. 1917 hat sich diese Zahl mehr als verdoppelt auf 32.000 Menschen.
Stadt der Städte

1852 bis 1906: Das Werk wächst. Unter dem Namen Hörder Bergwerks- und Hütten-Verein wird es nicht nur die erste Aktiengesellschaft im Hüttenwesen des Ruhrgebiets, es wird auch der erste Ort im Ruhrgebiet, an dem Roheisen nicht nur zu Stahl weiterverarbeitet, sondern selbst hergestellt wird. Denn zusätzlich zu den Anlagen östlich der Hörder Burg entsteht ein Hochofenwerk im Westen. Mit der Werksbahntrasse der Eliasbahn transportieren die Arbeiter das im Westen erzeugte flüssige Roheisen zur Hermannshütte im Osten, wo es weiterverarbeitet wird. Der Betrieb wächst zwischen 1856 und 1871 von rund 2100 auf mehr als 4.700 Werksangehörige an; 1906 sind bereits 6200 Menschen hier beschäftigt. Es ist das Jahr, in dem der Hörder Bergwerks- und Hüttenverein mit einem der damals größten deutschen Montanunternehmen fusioniert, der Phoenix AG. Fortan heißen das Hochofengelände Phoenix-West, die Hermannshütte Phoenix-Ost. Dazwischen liegt der Hörder Stadtkern.

1906 bis 1926: Nicht nur das Werk wächst, sondern auch die Stadt Hörde, und zwar rasant: Hat Hörde um 1800 rund 900 Einwohner*innen, sind es 1885 bereits 15.000. 1917 hat sich diese Zahl mehr als verdoppelt auf 32.000 Menschen. Es entstehen neue Siedlungen. Hörde wächst mit Dortmund zusammen. Am 1. April 1928 wird die Stadt als Stadtteil eingemeindet und geht im Dortmunder Stadtgebiet auf, das damit auf mehr als eine halbe Million Einwohner*innen anwächst.

1926 bis 1966: Das Werk expandiert weiter und hat bis zum Zweiten Weltkrieg sieben Hochöfen in Betrieb. Die Nationalsozialisten richten Ende 1944 eine Außenstelle des KZ Buchenwald auf dem Gelände ein und lassen Hunderte Frauen Zwangsarbeit verrichten. Nach dem Ende des Krieges im Mai 1945 sind große Teile der Gelände Phoenix-West und -Ost zerstört und zunächst demontiert. Die Alliierten helfen beim Wiederaufbau und ordnen die deutsche Eisen- und Stahlindustrie neu. Das Werk geht in der Dortmund-Hörder Hüttenunion auf und wächst bis 1966 auf 10.000 Mitarbeitende an.

Phoenix-West um 2003 (links) und nach Ende der Umstrukturierungen.

1966 bis 1992: Die Hoesch AG übernimmt den Standort. Doch bald bekommt auch Hörde die Krise der Stahlindustrie zu spüren. Wurden nach dem Zweiten Weltkrieg nur noch fünf Hochöfen auf Phoenix-West betrieben, waren es bis in den 1980er-Jahren nur noch drei. Nach der Übernahme des Standorts durch die Krupp AG 1992 war es schließlich nur noch ein Hochofen.

1998: Phoenix-West wird 1998 aufgegeben. 110 Hektar Fläche werden zur Entwicklung frei.

2001: Die "Hörder Fackel" auf Phoenix-Ost erlischt. Der Zentralkamin war ein seit den 1970er-Jahren weithin sichtbares Symbol der Stahlproduktion und eine Landmarke Dortmunds. Nun werden weitere 100 Hektar Fläche zur Entwicklung frei. Chinesische Unternehmer kaufen einige Anlagen des Stahlwerks. Schließlich bleiben rund um den Hörder Stadtteil-Kern aufgegebene Industrieareale mit einer Gesamtfläche von insgesamt rund 210 Hektar zurück. Hörde ist umgeben von Brachen, ungenutzten Industrieanlagen und belasteten Flächen.

Die Burg nach Ende der Sanierungsarbeiten und nach der Flutung des PHOENIX-Sees. Foto: Sparkassenakademie NRW

2002 bis 2009: Die freien Flächen und das Zentrum werden strategisch nach einem Dreiklang weiterentwickelt. Der bekannte Name Phoenix wird nun zur Marke und schreibt sich fortan in Versalien. PHOENIX-West wird dabei rund um denkmalgeschützte Industriebauten zu einem Standort für Zukunftstechnologien umgebaut und der PHOENIX-Park als Erholungsfläche angelegt. Es gibt neue Freizeitangebote und viele Events. Hörde Zentrum wird aufgewertet und ökonomisch stabilisiert. Das Areal PHOENIX See zu einem Standort mit einer Mischung aus Wirtschafts- und Freizeitflächen, Grün- und Parkflächen sowie modernen Wohnquartieren entwickelt. Dabei werden alle drei Areale durch insgesamt 12 Brücken sowohl miteinander als auch den umliegenden Quartieren verbunden und so in die städtische Infrastruktur Dortmunds integriert.

2009: Die Hörder Burg wird saniert, bekommt ein neues Dach und einen neuen Anstrich. Auch der Turm erhält eine neue Spitze.

2010: Das Phoenix-Ost-Gelände wird geflutet, 2012 wird der See freigegeben. Im Zuge des Umbaus sind sowohl die bis dahin unterirdisch geführte Emscher genauso wie auch der Hörder Bach offengelegt und renaturiert worden, für die er ein relevantes Rückhaltebecken bei Fluten bildet. Seine zentrale Rolle hat der PHOENIX-See als zentrales Naherholungsgebiet für die Menschen in Hörde und den umliegenden Stadtteilen. Wie der NABU 2014 ermittelt hat, hat sich der Naturraum am See innerhalb von zwei Jahren zum Dortmunder Gewässer mit der höchsten Artenvielfalt an Wasservögeln entwickelt. Neben Reihern, Enten und Haubentauchern, Möwen, Eisvögeln und dem bedrohten Flussregenpfeiffer werden noch 40 weitere Arten dort gezählt.

2011: Im Frühjahr eröffnet der PHOENIX-Park und bildet mit dem Botanischen Garten, dem Westfalenpark und dem Rombergpark eine grüne Achse in der Stadt.

2013: Auf PHOENIX-West bietet der Skywalk in 22 Metern Höhe und auf rund 370 Metern Strecke eine Aussicht auf den Ort des Wandels.

Phoenix-Ost um die Jahrtausendwende (links) und der PHOENIX-See heute

2014: Die letzte Brücke über eine viel befahrene Straße wird freigegeben und verbindet so endgültig den PHOENIX-See mit dem Zentrum, dem PHOENIX-Park und dem Zukunftsquartier auf PHOENIX-West. Hörde ist mit den beiden Arealen zu einem gewichtigen Stadtteil Dortmunds verschmolzen, der das Zuhause von knapp 27.000 Menschen ist – und neben dem Wohnen auch Arbeiten, Kultur und Freizeit verbindet.

Mittendrin, wie schon seit Jahrhunderten: die Hörder Burg. Inzwischen ist sie Sitz der Sparkassenakademie Nordrhein-Westfalen, und das Ruhrgebiet damit Heimat der zentralen Fortbildungseinrichtung der mehr als 60.000 Mitarbeitenden des Finanzinstituts in NRW.

2018: Die Entwicklung überzeugt auch die Jury des Deutschen Städtebaupreises. Seit 1980 wird er alle zwei Jahre an zukunftsweisende städtebauliche Projekte prämiert. Dabei punktet Hörde nicht nur mit der Einbettung in den Naturraum und die umliegenden Stadträume, sondern auch mit einer gelungenen Mischung aus Flächen – von Erholungsflächen wie dem Park und dem See über die Einbindung des industriellen Erbes bis hin zum Aufbau eines Standorts für Zukunftstechnologien. Die Jury hebt darüber hinaus die kontinuierliche Zusammenarbeit aller Beteiligten hervor. „PHOENIX kann damit zu Recht als Musterbeispiel für den exzellenten Strukturwandel vom Industriezeitalter zur postindustriellen Stadt gewertet werden“, heißt es in der Begründung.

2023 ff.: Die Entwicklungsziele waren ambitioniert, aber sie sind erfüllt worden, heißt es von der Stadt Dortmund. Wo ein Mittelzentrum gestärkt werden sollte, ist ein Areal mit überregionaler Strahlkraft und einem hohen Freizeitwert geworden. Rund 5000 Arbeitsplätze sind zudem um das Projekt PHOENIX entstanden, Tendenz steigend. 

Ein letzter Baustein ist nun noch offen: die Zukunft des rund 56.000 Quadratmeter großen Areals auf PHOENIX-West rund um Hochofenanlage. Sie sollten ursprünglichen Planungen nach für Kultur und Freizeit nutzbar gemacht werden. Die Stadt Dortmund hat die Fläche Anfang 2023 von der Entwicklungsgesellschaft erworben und dem TechnologieZentrumDortmund (TZDO), das bereits seit 2005 auf PHOENIX-West ansässig ist, die Planungen übertragen: Machbarkeitsstudie und Umsetzungskonzepte werden angestoßen und eine der letzten großen Entwicklungsflächen Hördes neu gestaltet werden.

Titelbild: Sparkassenakademie NRW; Luftbilder: RVR

Overlay schliessen