VfL Bochum 1848: Geschlechtergerecht und visionär

Frauen im Fußball sind immer noch benachteiligt. Das merken auch die Spielerinnen des VfL Bochum 1848. Sie kämpfen dagegen an: mit Kooperationen und neuen Strukturen.

Fußballerinnen kämpfen nicht nur um Titel und Medaillen, sondern auch um Wahrnehmung und Gleichberechtigung. Zwar hat der Frauenfußball in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht und weltweit für Begeisterung gesorgt, doch noch immer werden Spielerinnen deutlich schlechter bezahlt und weniger gefördert.

Das erleben die VfL-Trainerin Kyra Malinowski und Kapitänin Janine Angrick täglich. Die Regionalligistinnen trainieren drei- bis viermal die Woche abends – nach der Arbeit. Die Spielerinnen sind Studentinnen, Lehrerinnen oder Polizistinnen. "Ich arbeite Vollzeit als Lehrerin und habe bis in den Nachmittag hinein Unterricht. Abends stehe ich dann auf dem Platz. Dazwischen bleibt wenig Zeit für Erledigungen", sagt Janine Angrick. Auch Malinowski ist Lehrerin: "Es wäre sehr gewinnbringend, sich nur auf den Fußball konzentrieren zu können", so die ehemalige Bundesligaspielerin.

Bessere Rahmenbedingungen schaffen

Um Mädchen und Frauen besser zu fördern, müssten die Rahmenbedingungen verbessert werden, so die Bochumerinnen. Eine der größten Hürden sei die Nachwuchsförderung, denn Nachwuchsleistungszentren gebe es nur für Jungen. Nur vereinzelt würden dort auch weibliche Spitzentalente betreut werden. Auch an Plätzen und Kabinen mangelt es, erzählt Malinowski. "Ein erster Schritt wäre, Nachwuchsleistungszentren für junge Fußballerinnen zu schaffen." Ein solches Zentrum würde sich besonders im Ruhrgebiet lohnen: "Gerade in den unteren Mannschaften gibt es Talente, die noch mehr gefördert werden müssen", so die Trainerin. "Hier im Ruhrgebiet legen neben uns auch Vereine wie Schalke oder Dortmund sehr viel Wert auf den Frauenfußball. Damit dieser langfristig erfolgreich sein kann, brauchen wir diese Zentren."

Der VfL Bochum 1848 hat es sich zur Aufgabe gemacht, Geschlechtergerechtigkeit und Vielfalt im Verein zu fördern. Vor der aktuellen Saison 2023/24 hat der Club beschlossen, den Frauenfußball zu professionalisieren. Ende 2022 hatte die Deutsche Fußball-Liga (DFL) die Vereine der ersten und zweiten Bundesliga dazu verpflichtet, den Frauenfußball aktiv zu unterstützen. Beim VfL Bochum 1848 soll dafür eine neue Stelle für eine hauptamtliche sportliche Leitung implementiert werden. "Das ist die Voraussetzung, um neue Strukturen zu schaffen und Mädchen von klein auf zu fördern", sagt Malinowski. Dann könnte es auch mehr Vorbilder wie die junge Bochumerin Anna Marques geben: Seit ihrem zehnten Lebensjahr spielt sie beim VfL. In der Saison 2023/24 ist sie zu den Frauen aufgestiegen. Malinowski betont außerdem: "Die voranschreitende Professionalisierung der ersten Liga muss besser früher als später mindestens auf die zweite und dritte Liga übertragen werden."

Kooperationen fördern Diversität im Sport

Der Verein kooperiert mit verschiedenen Organisationen, die sich für mehr Geschlechtergerechtigkeit im Sport einsetzen. Eine davon ist Fußball kann mehr: Das gemeinnützige Netzwerk unterstützt Frauen im Fußball und initiiert Angebote für Clubs, Verbände, Unternehmen und Institutionen, die Diversität im Fußball fördern. Der VfL ist auch Teil des Projekts Klischeefrei im Sport. Das Projekt setzt sich für gleiche Trainingsbedingungen, mediale Sichtbarkeit und Teilhabe von Menschen aller Geschlechter im Sport ein. Das Ziel: Stereotypen abzubauen und Vorurteile zu überwinden. Im Sommer besuchte das Projektteam die VfL-Frauen beim Training und diskutierte mit den Spielerinnen über Stereotypen und ihre Erfahrungen. "Darüber zu sprechen und sich zu vernetzen, hilft, den Frauenfußball sichtbarer zu machen", sagt Janine Angrick.

Auch Angrick und Malinowski wurden in ihrer Jugend mit Vorurteilen konfrontiert. Beide spielten in Jungenmannschaften und bekamen zu spüren, dass sie Mädchen waren. "Die Jungs waren sehr skeptisch. Nach ein paar Minuten haben sie gemerkt, dass ich doch ein bisschen kicken kann und den ein oder anderen Jungen stehen ließ. Um mir meine Grenzen aufzuzeigen, haben sie mich dann gefoult", erzählt Malinowski. Inzwischen hat sich viel getan. Dazu tragen auch Großereignisse wie die EM 2022 oder die WM 2023 bei. Sie erzielten hohe Einschaltquoten und weckten das Interesse der breiten Öffentlichkeit.

Fußballspirit im Ruhrgebiet

Auch die Menschen im Ruhrgebiet begeistern sich zunehmend für den Frauenfußball. Im DFB-Pokal spielte der Regionalligist im Vonovia Ruhrstadion gegen den Erstligisten SGS Essen. Mit rund 3.300 Fans wurde der bisherige Zuschauer*innenrekord der VfL-Frauen mehr als verdoppelt. "Es ist schön zu spüren, dass das Interesse und die Unterstützung der Menschen im Ruhrgebiet da sind", sagt Malinowski. Sie trainiert das Team seit August 2022 und treibt die Professionalisierung des Frauenfußballs leidenschaftlich voran. "Ich bin in Bochum aufgewachsen und hier zur Schule gegangen. Mein Papa und mein Bruder haben eine Dauerkarte für den VfL. Jetzt für den Verein zu arbeiten, ist etwas ganz Besonderes."

Für die Zukunft wünschen sich Malinowski und Angrick, dass der positive Trend anhält. "Vielleicht sind dann nicht mehr ein Messi oder ein Ronaldo, sondern eine Lina Magull oder eine Giulia Gwinn, die Vorbilder – für Mädchen und Jungen."

+++ ZUR PERSON +++

Kyra Malinowski begann ihre Karriere bei SW Eppendorf in einer Jungenmannschaft. Nach der C-Jugend wechselte die Stürmerin zur SG Wattenscheid 09 und sammelte Erfahrungen in der zweiten Bundesliga. Nach einem Jahr ging sie zur SGS Essen und spielte in der ersten Bundesliga. Parallel dazu spielte Malinowski als Nationalspielerin in den Juniorinnen-Nationalmannschaften. Nach mehreren Kreuzbandrissen beendete sie 2012 ihre Karriere als Spielerin und wurde als Trainerin aktiv. Seit August 2022 ist sie Cheftrainerin in der Regionalliga-Frauenmannschaft des VfL Bochum 1848.

+++ ZUR PERSON +++

Janine Angrick spielte bis zur C-Jugend für den VfB Schwelm. Danach war die Mittelfeldspielerin gemeinsam mit Kyra Malinowski ein Jahr bei der SG Wattenscheid 09 in der zweiten Bundesliga. Ab 2010 spielte sie für fünf Jahre für den VfL Bochum 1848. Anschließend wechselte sie zu BV Cloppenburg und dann zu SV Werder Bremen. Als Nationalspielerin spielte sie in der U15 und U16 der Frauen. Seit 2018 ist sie wieder beim VfL und seit 2023 Kapitänin.

Fotos: VfL Bochum 1848

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