"Wir arbeiten daran, dass sich Gelähmte wieder bewegen können"

Die Snap GmbH ist eines der Hightech-Unternehmen, die im BioMedizinZentrum Bochum die Grenzen der Medizin neu ausloten. CEO Dr. Corinna Weber hat Elektrotechnik studiert und in Bochum promoviert. Gut vernetzt mit wissenschaftlichen Instituten in der Region arbeitet sie mit ihrem Team an Mensch-Maschine-Schnittstellen, mit deren Hilfe wir Prothesen mit unseren Gedanken steuern können.

Frau Weber, Ihre Firma Snap entwickelt Produkte und Dienstleistungen aus dem Bereich Brain-Computer-Interface (BCI). Wie erklären Sie einem Laien, was Ihr Unternehmen macht?

BCI ist eine Schnittstelle von menschlichem Gehirn und Computer. Nervenzellen des Gehirns erzeugen elektrische Impulse, um Informationen weiterzugeben. Bei der Elektroenzephalografie (EEG) werden auf der Kopfhaut Elektroden angebracht, um die Aktivitäten des Gehirns aufzuzeichnen. Änderungen der Gehirnaktivitäten sind mit einem EEG erkennbar. Die dadurch gewonnen Daten können zur Steuerung von Elektronik verwendet werden, zum Beispiel für Prothesen und Assistenzgeräte. Mit so einem System könnte man aber auch Roboter steuern oder sich in einer virtuellen Welt bewegen. Die Einsatzmöglichkeiten sind immens, sie reichen von der Medizintechnik über die Industrie bis hin zur Unterhaltungsbranche.

Tesla-Chef Elon Musk sieht dieses Potenzial offenbar auch. 2016 hat er das BCI-Unternehmen Neuralink gegründet. Ist er ein Vorbild für Sie?

Zumindest hat er für unser Gebiet viel bewegt. Er investiert große Summen in Technologien, auch wenn andere daran zweifeln. Seine Visionen treiben das Thema voran: Plötzlich finden auch in Deutschland große Unternehmen das Thema BCI spannend. Allerdings sind die wenigsten Firmenchefs bei Investitionen so risikofreudig wie Elon Musk.

Wir entwickeln die zukünftige Gehirn-Schnittestelle: Wir arbeiten an Geräten, die gelähmten Menschen helfen werden und erfinden neue Technologien, die unsere Fähigkeiten, unsere Gemeinschaft und unsere Welt erweitern werden.
Neuralink, "about us"

Was genau macht Ihr Unternehmen mit BCI?

Unser Fokus ist es, Menschen zu bewegen. Wir entwickeln Produkte, Dienstleistungen und Trainings, die zum Beispiel für die Rehabilitation und für die Prävention eingesetzt werden können. Aktuell arbeiten wir zum Beispiel mit Partnern an dem Projekt REXO – das ist ein biomechanisch konzipiertes, adaptives Exoskelett für die Arme. Damit wollen wir Menschen dabei unterstützen, nach einer neurologischen Erkrankung im Rehabilitationsprozess ihre Arm- und Handfunktionen wieder zu kontrollieren. Wir helfen ihnen dabei, wieder greifen zu lernen. Für das Exoskelett entwickeln wir ein BCI, damit Patientinnen und Patienten das „Rexoskelett“ intuitiv über das Gehirn steuern können. Wenn Sie „greifen“ denken, soll REXO sie dabei unterstützen, das zu tun.

Mit welchen Partnern arbeiten Sie dabei zusammen?

In dem Projekt arbeiten wir mit dem Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum und der Hochschule Ruhr West zusammen. Für uns ist die Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Forschung generell sehr wichtig. Denn die Technologie, an der wir arbeiten, entwickelt sich durch die technische Entwicklung gerade sehr dynamisch. Durch die Kombination von immer schnelleren Computern und Künstlicher Intelligenz (KI) entstehen permanent neue Möglichkeiten für den Einsatz von BCI. Da ist es ganz wichtig, Kooperationspartner zu haben, die in diesem Bereich forschen.

Snap Office: Das Unternehmen ist auf dem GesundheitscampusBochum einquartiert (Fotos: Snap GmbH)

Und die finden Sie im Ruhrgebiet?

Ja, absolut. Unser Unternehmen hat seinen Sitz am BioMedizinZentrum Bochum, das Teil des GesundheitsCampus Bochum ist. Das hat nicht nur den praktischen Vorteil, dass wir einen sehr schnellen Glasfaseranschluss haben. Wir haben hier auch Kontakt zu vielen interessanten Unternehmen aus dem Bereich Medizintechnik und Biomedizin und große Nähe zu den medizinischen und naturwissenschaftlichen Instituten der Ruhr-Uni und anderer Hochschulen aus der Region. Hier finden wir gut ausgebildete Fachkräfte und bekommen Zugang zu interessanten Projektpartnern wie bei REXO.

Welche Vision haben Sie für Ihr Unternehmen?

Ein robustes, intuitiv bedienbares BCI-System zu entwickeln, das Kommandos aus dem Gehirn erkennt und umsetzt – eine Art „Siri“ für Gedanken. Bislang können wir mit BCI nur relativ einfache Kommandos verarbeiten. Wir wollen präziser werden, so dass zum Beispiel ein querschnittsgelähmter Mensch seine Hand – oder seine Beine – mit Hilfe eines Exoskeletts möglichst natürlich bewegen kann. Darüber hinaus wäre so ein System universell einsetzbar und keineswegs auf Prothesen beschränkt. Außerdem fasziniert mich die Vorstellung, dass ich mich mit Hilfe eines BCI-Systems immersiv durch eine virtuelle Welt bewegen kann. Da ist es aber noch ein langer Weg zu einem tragfähigen Geschäftsmodell. Dafür muss sich auch die Virtual-Reality-Technologie weiter entwickeln und mehr Akzeptanz in der Gesellschaft finden.

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