Wie die Startup-Branche auf neue Weise zusammenfindet

Veranstaltungen finden in Corona-Zeiten nicht statt. Dabei ist die Startup-Szene des Ruhrgebiets dringend auf den Austausch von Know-how angewiesen. Lisa Bachmann und Christian Dasbach haben aus der Not eine Tugend gemacht. Auf der Plattform startupremote.de bringen sie Expertenwissen gratis ins Wohnzimmer. 

Dass es im Berufsleben oft auf den richtigen Moment ankommt, wissen Lisa Bachmann und Christian Dasbach nur zu gut. Sie veranstalten Events für die Startup- und Gründerszene im Ruhrgebiet. Dabei beschäftigen sie sich viel mit kreativen Geschäftsideen, möglichen Kundenreaktionen und damit, wie man dank gutem Self-Empowerment auch Niederlagen gewinnbringend übersteht. So etwas prägt. Bachmann und Dasbach stecken bei Problemen deswegen nicht schnell den Kopf in den Sand. Wenn etwas nicht nach Plan verläuft, muss man eben kreativ werden. 

So war es auch Mitte März 2020. Die beiden Eventveranstalter organisieren normalerweise regelmäßige Meetups und Workshops für die lokale Startup- und Gründerszene, darunter etwa die „Startup Olympics“: Dabei lernen Interessierte in Teams, wie sie an einem Wochenende aus einer Idee ein Startup formen. Auch die „FuckUp Night Ruhrgebiet“, bei der erfolgreiche Unternehmer*innen von ihren beruflichen Tiefpunkten erzählen, gehört zu ihren Veranstaltungen. Aber mit der Corona-Pandemie bekamen Bachmann und Dasbach die beruflichen Auswirkungen besonders krass zu spüren. Alle Veranstaltungen wurden abgesagt. Beiden war schnell klar: Einfach nur abwarten ist in dieser Ausnahmesituation keine Option; vielmehr kommt es gerade jetzt auf gegenseitige Unterstützung an. Nach einem „kurzen Moment der Panik“ kam ihnen dann die Idee, die Veranstaltungen auf einer gemeinsamen Plattform zu digitalisieren, erzählt Bachmann: „Durch die wegfallenden Events fehlt es plötzlich an Informationsangeboten für Gründer*innen und Startups. Diese Lücke wollen wir schließen.“ 

Patrick Reymann (https://momentesammler.pro)

Grundlagen drohen in den Hintergrund zu geraten

Themen wie ‚Digitaler Pitch’ oder ‚Plan fürs Homeoffice’ passen zwar gut in die aktuelle Ausnahmesituation; besonders tagesaktuell möchten die beiden ihr Angebot aber nicht ausrichten. Bei akuten Problemen rundum Finanzierung und Wirtschaftsförderung verweisen sie weiterhin an die Verbände und deren Hotlines: „Da greifen wir nicht ein.“ Stattdessen geht es ihnen um Grundlegendes. „Wie trete ich vor Investoren auf? Wie funktioniert Performance Marketing? Wie werte ich Google Analytics aus? All das sind Fragen, die Gründerinnen und Gründer weiterhin beschäftigen. Sie drohen aber im Moment in den Hintergrund zu geraten.“ Dabei gibt es im Ruhrgebiet viele lokale Expertinnen und Experten, die bei diesen Themen mit spezifischem Know-how behilflich sein können. Eine gemeinsame Plattform kann dieses Wissen bündeln – und einen emotionalen Nebeneffekt bietet sie auch noch: So stärkt sie nicht nur den Wissenstransfer, sondern auch den Zusammenhalt während der Isolation. 

Dieses Konzept überzeugte auch die kommunalen Wirtschaftsförderer und Industrie- und Handelskammern. Und zwar in einer Geschwindigkeit, von der die beiden Initiatoren selbst überrascht waren. „Am Donnerstagabend hatten wir die Idee zu StartupRemote – und am Sonntag standen bereits alle Kooperationspartner fest. Mit so vielen Zusagen hatten wir nicht gerechnet. Eine Woche später sind wir dann live gegangen.“ 

Dasbach lobt dabei insbesondere das Engagement des ruhr:HUB, das sich als zentrale Anlaufstelle für die digitale Szene im Ruhrgebiet begreift und bei der Vermittlung der Kooperationspartner behilflich war. Konkret wird „StartupRemote“ nun neben dem ruhr:HUB durch die Essener Wirtschaftsförderung, die Bochum Wirtschaftsentwicklung, die Wirtschaftsförderung Dortmund, die Business Metropole Ruhr, den Initiativkreis Ruhr GmbH sowie die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Hamm und die IHK Dortmund unterstützt. Auf der Plattform sind die Profilseiten aller Partner mit Kontaktdaten hinterlegt – bei Beratungsbedarf können interessierte User sich direkt mit ihnen in Verbindung setzen. „Das ist eine tolle Chance, unser breites Unterstützungsangebot für Gründerinnen und Gründer aus der Region vorzustellen“, erklärt Jannis Heuner von der Bochum Wirtschaftsentwicklung. Aber auch das inhaltliche Konzept von „StartupRemote“ hat die Partner überzeugt: „Zum einen handelt es sich um eine regionale Initiative, die ohne lokales Kleinklein ein Angebot schafft, das akut nachgefragt wird. Zum anderen wurde das Projekt aus der Szene heraus angestoßen. Speaker, Veranstalter und Netzwerker sind selbst aktiv geworden. Genau diese Eigeninitiative wollen wir stärken.“

Auch die beiden Initiatoren Bachmann und Dasbach betonen die breite Förderung quer über das Ruhrgebiet hinweg und hoffen mit ihrer Plattform zu einer besseren Vernetzung der Kommunen beitragen zu können: „Hier ging es nicht um Kirchturmdenken. StartupRemote ist ein echtes Gemeinschaftsprojekt. Es wäre schön, wenn sich diese Haltung in der Region noch stärker durchsetzen würde.“ 

Patrick Reymann (https://momentesammler.pro)

Neue Perspektiven – auch langfristig

Gestartet wurde die Plattform mit 14 Videos verschiedener lokaler Experten aus Marketing über Vertrieb bis hin zu Finanzen und IT. Zwei bis drei neue Beiträge werden pro Woche produziert. Bislang war das Feedback ausschließlich positiv, erzählen die beiden Ideengeber: „Allein in den ersten Tagen gab es über 1.000 Zugriffe.“ Für die nächsten Wochen rechnen sie weiterhin mit steigenden Zahlen. Um „StartupRemote“ bekannt zu machen, setzen sie einerseits auf die Reichweite, die sie sich durch ihre analogen Events bereits erarbeitet haben; andererseits holen sie sich gezielt neue Expert*innen ins Boot: „Die bringen eigene Communities mit, so dass sich die Zahl der Teilnehmenden nach und nach vergrößert“, erklärt Bachmann. Als begleitende Marketingmaßnahme sind Werbungen in den Sozialen Medien geplant.

Grundsätzlich soll die Plattform nicht nur während der Corona-Zeit bestehen, sondern ein langfristiges Projekt werden; zumindest, wenn es nach Vorstellungen der beiden Ideengeber geht. „Das hängt natürlich auch von den Kooperationspartnern ab. Die Finanzierungsrunde deckt die Entwicklung für dieses Jahr. Danach müssen wir nochmal verhandeln.“ Dabei biete die Initiative nicht nur für die User, sondern auch für die Kommunen viele neue Perspektiven: „Der große Mehrwert ist, dass es nun nicht mehr vier Wochen dauert, bis man ein passendes Seminar besuchen kann. Stattdessen können die Gründungsberater direkt an StartupRemote verweisen. Die Beratungsrunden werden so schneller und unabhängiger.“ Darüber hinaus sei das Projekt eine tolle Möglichkeit, auch dauerhaft ein gemeinsames Bekenntnis für die Startup- und Gründerszene im Ruhrgebiet zu schaffen. 

Braucht es denn dann überhaupt noch die analogen Veranstaltungen? Beide nicken entschieden mit dem Kopf. „Unbedingt. Gerade die Fragerunden im Anschluss an einen Workshop nutzen viele Experten, um gezielt auf die Bedürfnisse ihrer Zuhörer einzugehen. Die persönliche menschliche Begegnung und das direkte Gespräch lassen sich nicht ersetzen.“ Stattdessen könnten sich aber analoge und digitale Formate miteinander ergänzen: „Ich glaube, wenn man den Teilnehmenden die Basics vorab digital zur Verfügung stellt, kann man in den persönlichen Meetups nochmal mehr in die Tiefe gehen“, so Bachmann.

Denn auch wenn die Folgen der Corona-Krise für die Startup- und Gründerszene im Ruhrgebiet noch nicht genau abzuschätzen sind – an den grundsätzlichen Bedingungen werde Covid-19 nichts verändern, glauben die beiden Event-Profis: Die vielen guten Hochschulen, dazu die enge Anbindung an große DAX-Konzerne, vergleichsweise günstige Mieten und ganz aktuell die Eröffnung des Essener Pendants zur Factory Berlin – all das mache das Ruhrgebiet „zur idealen Spielwiese“ für Startups und Gründer. Deswegen komme es nun auf die richtige Einstellung an: Die nächste „FuckUp Night“ findet zum Beispiel bereits am 18. April statt - natürlich rein digital. Aber der Esprit der Veranstaltung sei momentan dringender denn je. 

Denn wie für Startups müsse auch für den Umgang mit dem Virus die richtige Devise lauten: „In Krisen stecken immer auch Chancen.“ 

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