Teleradiologie: Schnell und sicher zur Diagnose

connect MT – der Verbund für medizinische Telekooperationen ist Vorreiter beim digitalen Austausch radiologischer Befunde. Die Initiative aus dem Ruhrgebiet ist in immer mehr Bundesländern aktiv und zählt bereits rund 500 Mitglieder. Sie beweist, wie gut die Zusammenarbeit von Gesundheits- und IT-Branche in der Region funktioniert.

Teile Deutschlands sind bei der Übertragung radiologischer Daten in den neunziger Jahren stehen geblieben. Medizinische Bildinformationen wie MRT- und CT-Daten sowie Röntgenbilder werden noch immer auf CDs gespeichert und teilweise per Taxi von einer Praxis zur nächsten chauffiert. Das ist umständlich, langsam, störungsanfällig und teuer. Dank der bereits 2010 gestarteten Initiative connectMT - Verbund für medizinische Telekooperationen (vorher „Teleradiologieverbund Ruhr“) ist die Metropole Ruhr schon einen großen Schritt weiter. Das Netzwerk steht für einen einfachen, schnellen, sicheren und kostengünstigeren Datenaustausch von Praxen, Kliniken und andere Institute. „So ein Netzwerk gibt es sonst in ganz Europa nicht“, sagt Marcus Kremers, Geschäftsführer der MedEcon Telemedizin GmbH, die hinter dem Verbund steht.

Ausgangspunkt für den Verbund war ein regionales Ruhr-Netzwerk

Die Initiative habe damit begonnen, dass Ärzt*innen unzufrieden damit waren, wie lange es dauerte, bis Daten ausgetauscht werden konnten, berichtet Kremers. „Für normalen Mailverkehr sind die medizinischen Bilddaten zu groß, zudem gibt es dabei erhebliche Datenschutzrisiken.“ Beim MedEcon Ruhr, dem regionalen Netzwerk der Gesundheitswirtschaft, beratschlagten verschiedene Akteur*innen, wie man den sicheren Datentransfer beschleunigen könnte. Mit der VISUS Health IT GmbH war eine Expertin für Bildgebung im Gesundheitssektor Teil des Netzwerks – die Bochumer Firma brachte ihr technisches Know-how für den digitalen Datenaustausch ein. Die Anwender*innen freuen sich: „Wir arbeiten im Moment mit über 150 Kliniken und Praxen zusammen, die uns über Jahre die Bilder entweder per Taxi oder auf dem Postweg zugeschickt haben“, berichtet etwa Prof. Michael Forsting, Leiter des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie am Universitätsklinikum Essen.

Teilnehmer des Westdeutschen Teleradiologieverbundes. Foto: TRV. Foto oben: GesundheitsCampus Bochum, Wirtschaftsentwicklung, kobayashi-film GmbH

Interesse am Netzwerk besteht über die Grenzen hinaus

Insgesamt sind heute rund 350 Kliniken und 150 Praxen Teil des Verbunds, rund 10.000 Verbindungen jährlich werden durch das Netzwerk unterstützt. Die Initiative ist längst über die nordrhein-westfälischen Landesgrenzen hinaus gewachsen und expandiert in ganz Deutschland. Vor allem in Niedersachsen und Hessen verzeichnet die Landkarte des Verbunds viele Knotenpunkte und auch im benachbarten Ausland, etwa in den Niederlanden, wächst das Interesse. „Wir sind offen für weitere Partner*innen und gehen davon aus, dass wir in den nächsten Jahren weiter wachsen werden“, sagt Kremers. Wachstumschancen sieht er auch in speziellen Fachgebieten: „Über den Verbund entwickeln sich auch Projekte in den Bereichen Schlaganfall, Unfallchirurgie, Kardiologie oder Epilepsie.“

Auch ferne Spezialist*innen können zur Diagnose hinzugezogen werden

Ganz konkrete Vorteile hat der Verbund für Patient*innen. Die Wartezeit auf die Diagnose verkürzt sich. Zusätzliche Fachkräfte können ohne großen Aufwand um eine Zweitmeinung gebeten werden, Doppeluntersuchungen lassen sich vermeiden. Vor allem kleinere Krankenhäuser in ländlichen Gegenden, in denen bestimmte Fachgebiete nicht vertreten sind, nutzen die Möglichkeit, sich über den Teleradiologieverbund an Expert*innen zum Beispiel der Unikliniken zu wenden. Zudem gebe es in Deutschland nur wenige Kinder-Radiolog*innen, die häufig über den Verbund um Unterstützung gebeten werden, berichtet Kremers. Generell sei die Offenheit für Telemedizin in der Coronakrise gewachsen: „Durch den digitalen Datenversand lassen sich viele unnötige Praxisbesuche vermeiden.“

Zweitmeinung einholen ist dank TRV auch telemedizinisch praktikabel. Foto: VISUS Health IT GmbH

Im Ruhrgebiet funktioniert die Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft

Der TRV, das MedEcon-Netzwerk und auch die VISUS GmbH haben ihren Standort am GesundheitsCampus Bochum. „Das Ruhrgebiet und insbesondere auch Bochum haben sich in den letzten Jahren zu einem wichtigen Motor für die Digitalisierung der Gesundheitswirtschaft entwickelt“, sagt VISUS-Geschäftsführer Jörg Holstein, einer der Geburtshelfer des TRV. Der Gesundheitscampus spiele eine große Rolle für die Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft, nicht zufällig sei connectMT - Verbund für medizinische Telekooperationen hier entstanden.

Zusammenspiel von IT- und Gesundheitssektor

Für Prof. Britta Böckmann, Professorin im Lehrgebiet Informatik und Medizinische Informatik an der Fachhochschule Dortmund, ist das Netzwerk auch ein gutes Beispiel dafür, wie Gesundheitswirtschaft und IT-Branche in der Metropole Ruhr erfolgreich zusammenarbeiten. Die regionale Nähe und die hervorragende Vernetzung in der dicht besiedelten Metropolregion sei für beide Seiten ein Standortvorteil. „Digital Health ist im Ruhrgebiet hervorragend aufgestellt. Das Netzwerk MedEcon bringt Unternehmen und Krankenhäuser zusammen. Aus dieser Kombination entstehen praxistaugliche kreative Ideen und Innovationen wie der Westdeutsche Teleradiologieverbund*.“

(*Nachtrag: heute connectMT - Verbund für medizinische Telekooperationen)

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