Haniel auf dem Weg zur Enkelfähigkeit

In deutschen Führungsetagen gibt es weniger Frauen als es Männer gibt, die Thomas heißen. Thomas Schmidt ist einer davon. Mit dem Ziel, das Unternehmen "enkelfähig" aufzustellen, sorgt er beim Duisburger Unternehmen Haniel dafür, dass sich das in Zukunft ändern wird. Ein Gespräch.

Haniel hat sich dem Ziel verschrieben, "enkelfähig" zu werden. Was genau steckt dahinter?

Thomas Schmidt: Das Wort enkelfähig bringt den Unternehmenszweck und die Tradition von Haniel auf den Punkt: Wir wollen Wert für Generationen schaffen. Das heißt, dass wir nicht nur ein starkes Unternehmen hinterlassen wollen, sondern auch einen gesunden Planeten und eine Gesellschaft, in der das Wohlbefinden aller gewährleistet ist. Dieser Anspruch bestimmt unser unternehmerisches Handeln. Unsere Geschäftsbereiche sollen aktiv zu einer lebenswerten Zukunft beitragen. Dafür wollen wir gemeinsam mit ihnen den Einsatz von Ressourcen optimieren, eine Kreislaufwirtschaft etablieren – und nachhaltig wirtschaftlich erfolgreich sein.

Welche Prozesse haben Sie angestoßen, um dieses Unternehmensziel zu erreichen?

Haniels Transformation findet auf drei Ebenen statt: Portfolio, Führung und Kultur. Unsere Investmentstrategie richtet sich neben Performance-Indikatoren konsequent an Nachhaltigkeitskriterien aus. Ein Unternehmen kann noch so erfolgreich sein – in unserem Portfolio hat es nur dann Platz, wenn es zu einer lebenswerten Zukunft beiträgt. Unsere Geschäftsbereiche steuern wir über ein gemeinsames, Performance-orientiertes Führungsmodell, den "Haniel Operating Way", und wir streben in der Gruppe eine Kultur an, die von Unternehmergeist, Leistungsorientierung und Vielfalt geprägt ist.

Sie haben einmal von der Vision gesprochen, eine Definition  des Begriffs "enkelfähig" im Wörterbuch lesen zu können. Was würde darin über Diversität und Geschlechtergerechtigkeit stehen?

Diversität und Chancengleichheit sind Grundvoraussetzung für Enkelfähigkeit. Nicht nur weil divers aufgestellte Unternehmen nachweislich mehr Erfolg haben, sondern auch, weil unsere Vision einer lebenswerten Zukunft selbstverständlich alle Menschen, ihr Wohlbefinden und die Wahrung ihrer Rechte berücksichtigt. Unser Ziel, mindestens 50 Prozent Frauen auf allen Ebenen der Haniel Gruppe zu beschäftigen, ist deshalb fester Bestandteil unserer Strategie, ebenso wie eine offene und leistungsorientierte Unternehmenskultur.     

Was steht bei der Enkelfähigkeit im Fokus: die Steigerung des Unternehmenserfolgs oder ein gesellschaftlicher Beitrag?

Die kurze Antwort lautet: beides. Denn dies ist für uns keine Frage von entweder-oder. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass in Zukunft nur solche Unternehmen erfolgreich sein werden, die einen positiven gesellschaftlichen und ökologischen Beitrag leisten. Wir nennen das "outperforming by doing good" – also überdurchschnittlich erfolgreich sein, indem man Gutes tut und verantwortungsvoll handelt.

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass in Zukunft nur solche Unternehmen erfolgreich sein werden, die einen positiven gesellschaftlichen und ökologischen Beitrag leisten.
Thomas Schmidt, CEO Franz Haniel & Cie.

Was raten Sie anderen Unternehmen, die ähnliche Prozesse anstoßen wollen: Wie kann sichergestellt werden, dass eine wirkliche Veränderung angestoßen wird?

Zwei Dinge sind entscheidend: Das Top-Management und die Gesellschafter müssen voll hinter der Strategie stehen, damit sie konsequent umgesetzt werden kann. Haniel ist ein Familienunternehmen, und ich bin froh, sagen zu können, dass die Haniel-Familie von unserer enkelfähig-Strategie überzeugt ist. Aber es braucht für die Veränderung auch die Mithilfe aller Mitarbeitenden – und das geht nur über die richtige Kultur: eine Kultur, die Transparenz und konstruktives Feedback fördert, neue Ideen unterstützt und in der Ziele klar formuliert und messbar gemacht werden.

Inwiefern begünstigt das Ruhrgebiet in seiner Struktur das Unternehmensziel, enkelfähig werden zu wollen?

Nirgendwo sonst sind so viele Städte so unmittelbar miteinander verbunden. Das macht die Zusammenarbeit einfach. Es gibt eine ganze Reihe renommierter Universitäten und Forschungsinstitutionen – quasi an einem Ort gebündelt. Diese Struktur macht das Ruhrgebiet auch für Gründer attraktiv. Es siedeln sich vermehrt Start-ups an, die mit nachhaltigen Geschäftsmodellen erfolgreich sein wollen und den Kulturwandel vorantreiben. Das unterstützen wir auch bei Haniel mit unserer Social-Start-up-Schmiede Impact Factory.

+++ Zur Person +++

Thomas Schmidt ist seit Juli 2019 CEO von Haniel. Er wurde 2017 in den Haniel-Vorstand berufen und war parallel bis Mitte 2019 Vorsitzender der Geschäftsführung des Haniel-Geschäftsbereichs CWS. Der studierte Ingenieur begann seine Karriere 1996 beim US-amerikanischen Konzern General Electric (GE) und übernahm dort verschiedene Führungspositionen, bevor er Mitte 2008 zu TE Connectivity wechselte und ab Juli 2010 als Präsident die Geschäfte von TE Industrial leitete.

Das Ruhrgebiet und seine Wirtschaft befinden sich in der Transformation zu einem klimagerechten Standort. Wie relevant ist Diversität und Geschlechtergerechtigkeit in diesem Zusammenhang?

Wie gesagt: Diversität ist für Enkelfähigkeit unabdingbar. Um den Klimawandel doch noch halbwegs in den Griff zu bekommen, müssen wir schnell neue Ideen entwickeln und über soziale und unternehmerische Grenzen hinweg zusammenarbeiten. Das kann nur mit Menschen funktionieren, die unterschiedliche Erfahrungen und Perspektiven mitbringen.

Sie sind seit 2017 bei Haniel im Ruhrgebiet. Inwieweit hat sich Ihr Bild der Region vom Außenstehenden in den vergangenen Jahren gewandelt?

Vor 2017 habe ich beim Wort Ruhrgebiet vor allem an Kohle, Stahl und Logistik gedacht – notwendig, aber nicht sehr hübsch und nur teilweise zukunftsfähig. Jetzt bin ich näher dran und sehe es anders: Hier haben Pioniere die Geschichte eines ganzen Landes geschrieben. Ohne die Kohleförderung, die dem "Pott" ja seinen Namen gab, hätten wir keine Industrialisierung. Die Menschen hier sind zu Recht stolz auf die alten Zechen, Halden und Hochöfen. Gleichzeitig gibt es zwischen dieser "Industrieromantik" Platz für eine neue, innovative Kultur und sehr viel Überlebenswillen und Unternehmergeist.

Was schätzen Sie besonders am Ruhrgebiet?

Die Menschen. Die berühmte "Anpack"-Kultur gibt es hier immer noch. Und das ist es, was wir brauchen, um unsere Ziele zu erreichen: Menschen, die den Pioniergeist, der das Gebiet so wertvoll gemacht hat, weitertragen und Dinge einfach ausprobieren, statt jahrelang an einer 100-Prozent-Lösung herumzubasteln. Es braucht Mut und Unternehmergeist, um die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern. Genau das haben wir hier.

+++ Über Haniel +++

Die Franz Haniel & Cie. GmbH befindet sich zu 100 Prozent in Familienbesitz und ist seit der Gründung des Unternehmens 1756 in Duisburg beheimatet, wie auch das historische Packhaus (rechts im Bild) zeigt. Sie führt ein Portfolio eigenständiger Unternehmen, mit dem Ziel, alle Investitionen "enkelfähig" zu machen und Wert für Generationen zu schaffen. Derzeit umfasst das Haniel-Portfolio acht Geschäftsbereiche: BauWatch, BekaertDeslee, CWS, ELG, EMMA, Optimar, ROVEMA, TAKKT. Dazu kommt eine Finanzbeteiligung an CECONOMY. 2020 beschäftigte die Haniel-Gruppe 20.400 Mitarbeiter und erwirtschaftete einen Umsatz von 3,1 Milliarden Euro.

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