Besser bauen mit Glas, Schutt und Pilzen

Wissenschaftler*innen der Metropole Ruhr erforschen, wie der Gebäudesektor nachhaltiger wird und mit weniger CO2-Emissionen auskommt.  

22 Universitäten und Fachhochschulen sowie etliche Forschungsinstitute bilden im Ruhrgebiet ein dichtes Netz an wissenschaftlichen Einrichtungen. Da sich das Ruhrgebiet zur grünsten Industrieregion der Welt entwickeln will, ist ein Forschungsschwerpunkt die Weiterentwicklung von Umwelttechnologien und die Frage, wie sich Treibhausgas-Emissionen reduzieren oder ganz vermeiden lassen. Dazu gehört auch nachhaltiges Bauen und Sanieren. Um die deutschen Klimaziele zu erreichen, müssen die Treibhausgasemissionen im Gebäudesektor massiv gesenkt werden. Fünf Beispiele zeigen, wie vielseitig die Forschungsregion Ruhr hier aufgestellt ist.  

Auf dem Holzweg  

An der Fakultät für Bau- und Umwelt-Ingenieurwissenschaften der Ruhr-Universität Bochum (RUB) werden Bauen und Umwelt zusammen gedacht. Der Lehrstuhl von Prof. Annette Hafner befasst sich mit ressourceneffizientem Bauen, insbesondere mit einem Klassiker unter den Baumaterialien: Holz. Das nachwachsende Naturprodukt ist eine nachhaltige Alternative zu Materialien aus endlichen Ressourcen. Zudem dient Holz als Kohlenstoff-Speicher. „Der vermehrte Einsatz von Holz und Holzwerkstoffen kann dazu beitragen, die Treibhausgasemissionen des Bausektors langfristig zu senken“, sagt Hafner. Zu den aktuellen Forschungsprojekten gehört die Entwicklung eines Holzbau-Geoinformationssystems (GIS), das Kommunen dabei unterstützt, durch den Einsatz von Holz beim Bauen und Sanieren Treibhausgase einzusparen.  

Backsteine, die cool bleiben 

Mauerziegel gehören zu den ältesten Baumaterialien und wurden schon in der Jungsteinzeit vor rund 10.000 Jahren verwendet. Doch auch dieser bewährte Klassiker lässt sich im Hinblick auf die Klimabilanz weiter verbessern: Das zeigt die Arbeit des Instituts für Ziegelforschung in Essen. Hier wird zum Beispiel erkundet, wie bei der Gebäudeklimatisierung Energie eingespart werden kann. Durch Beimischung unterschiedlicher mineralischer Zusatzstoffe zur Veränderung der Porenstruktur – wie zum Beispiel Basaltmehl –  wurde im Laborversuch die Wärmeleitfähigkeit der Ziegel reduziert. Mit diesen Ziegeln gebaute Wände geben bei Kälte weniger Wärme nach außen ab und sorgen bei Hitze für kühle Räume.  

Pilze, die für Ruhe sorgen 

Auf der Suche nach regenerativem Baumaterial ist das Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) in Oberhausen auf den Pilz gekommen. Um die Akustik in Räumen zu verbessern, kommen heute meist konventionelle Materialien wie Polyesterschäume oder Verbundstoffe auf Mineralfaserbasis zum Einsatz. Im Projekt „FungiFacturing“ forscht ein Team an biobasierten Alternativen: Schallabsorbern, die auf Basis von Pilzbestandteilen hergestellt werden. Ziel des Projekts ist es, auf Basis des nachwachsenden Pilzmaterials einen Schallabsorber herzustellen, der im 3D-Druckverfahren zielgenau an die Bedürfnisse der Raumgestaltung angepasst werden kann. 

Schön, warm und leise

Um die Energiewende erfolgreich zu meistern, müssen energieeffiziente Lösungen für den Neubau, insbesondere aber auch für die energetische Sanierung bestehender Gebäude entwickelt werden. An der Fachhochschule Dortmund gibt es dafür gleich zwei aktuelle Projekte. Beim Forschungsvorhaben „VG_WALL“ wird ein multifunktionales Fassadenmodul aus Vakuumglas entwickelt. Es kann je nach Anforderung transluzent (durchscheinend) oder transparent (durchsichtig) hergestellt werden und ermöglicht anspruchsvolle architektonische Konzepte. Außerdem bietet das Modul hervorragenden Lärm- und Wärmeschutz. Nicht nur die Fassadenelemente selbst, auch die Halterungen, mit denen sie am Gebäude befestigt sind, können im Winter zu Wärmeverlusten führen. Das Projekt „Feuerverzinkte Fassadenunterkonstruktionen“ befasst sich mit der Frage, wie diese minimiert werden können. Das bei Wandhalterungen standardmäßig verwendete Aluminium leitet viel Wärme an die Fassade und die Außenluft ab. In dem Projekt setzt das Forschungsteam auf feuerverzinkten Stahl, der tragfähiger als Aluminium ist und dadurch mit weniger Halterungen auskommt. Außerdem ist er weniger wärmeleitend und hilft auch dadurch, Energie zu sparen.  

Auferstanden aus Ruinen 

Auf deutschen Baustellen werden jährlich rund 600 Millionen Tonnen mineralische Baurohstoffe eingesetzt, ein Großteil davon sind Primärrohstoffe, denn bislang wird nur ein kleiner Teil des Bauschutts recyclet. Baustoff-Recycling ist ein komplexer Vorgang, da beim Abriss oder Rückbau zur Durchmischung von Material mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften kommt. Es bedarf einer Bauschutt-Logistik, die für Sortierung, Aufbereitung und Vermarktung des Recycle-Materials sorgt.  

Das Projekt „MAVO BauCycle“ hat sich dieser Herausforderung gestellt. Der Einsatz von Primärrohstoffen soll reduziert werden, um nachhaltiger Bauen zu können. Zudem soll weniger Bauschutt auf Deponien landen. Von den insgesamt vier beteiligten Fraunhofer-Instituten, haben zwei ihren Sitz im Ruhrgebiet: das Oberhausener „UMSICHT“ und das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) in Dortmund. Darüber hinaus beteiligt waren noch die Fraunhofer-Institute für Bauphysik (IBP) sowie für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB). „Das Projekt wurde 2019 erfolgreich abgeschlossen“, berichtet Jan-Philip Kopka vom Dortmunder IML. „Einige der gewonnenen Erkenntnisse werden bereits in der industriellen Fertigung genutzt.“  

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