Wie Bottrop zur Klima-Vorreiterin Deutschlands wurde

In Zeiten von Energiekrise und Klimawandel: Bottrop zeigt, wie die Energiewende effektiv gestaltet werden kann. Mit dem Modellprojekt "InnovationCity Ruhr - Modellstadt Bottrop" wurde die ehemalige Kohlestadt zur Klimastadt – und damit zum Vorbild für ganz Deutschland.

Als in Bottrop die grüne Zukunft begann, waren Rebekka Kahnert und Hamda Mahdi gerade mal im Grundschulalter. Zehn Jahre später, im Juni 2021, präsentieren die beiden Zwölftklässler*innen den in Deutschland einmaligen Erfolg ihrer Heimatstadt bei der Abschlussveranstaltung von "InnovationCity Ruhr I Modellstadt Bottrop". Denn: In eben diesen zehn Jahren ist es der Stadt in der Metropole Ruhr gelungen, ihren Ausstoß an Treibhausgasen um 50 Prozent zu senken.

Was 2021 bereits ein großer Erfolg war, erscheint heute umso zukunftsweisender. Angesichts steigender Energiepreise aufgrund des Ukrainekriegs, der Abhängigkeit von Erdgas- und Erdöl-Importen aus Ländern mit problematischer politischer Führung sowie den verheerenden Auswirkungen des Klimawandels beweist das Erfolgsmodell Bottrop, dass eine Energiewende von unten kein Einzelfall bleiben sollte. Deshalb ist es nur konsequent, dass die Innovation City Management GmbH (ICM), die die Transformation der ehemaligen Kohlestadt zur Klima-Vorreiterin Deutschlands umgesetzt hat, inzwischen in ganz Deutschland tätig ist – und auch in Bottrop geht es weiter: Nächstes Ziel ist Klimaneutralität bis 2035.

Energiewende, gestemmt aus 241 Einzelprojekten

Bottrop hat sich in einem Auswahlverfahren gegen andere Kommunen durchgesetzt und den Zuschlag für das Projekt bekommen. Damit war auch die ICM GmbH geboren, mit Sitz in Bottrop. Hier hat das angefangen, was Burkhard Drescher gern "Energiewende von unten" nennt. Drescher war als Geschäftsführer der ICM schon früh Mitwirkender des Projekts und einer der wichtigsten Treiber dieser grünen Revolution mitten im Ruhrgebiet. Der Energieexperte und ehemalige Oberbürgermeister von Oberhausen organisierte und steuerte das Mammutprojekt, das am Ende aus 241 Einzelprojekten bestand. Mitarbeitende der ICM entwickelten, vermittelten und berieten. "Um möglichst viele Einzelprojekte realisieren zu können, Akteur*innen zu vernetzen und Bürger*innen zu erreichen, war ICM im Herzen Bottrops eine zentrale Anlaufstelle für Bürger*innen und alle anderen Anfragesuchenden", sagt Drescher.

Das hehre Ziel: In einem Pilotgebiet aus mehreren Stadtteilen Bottrops mit insgesamt 70.000 Einwohner*innen sollte innerhalb von nur zehn Jahren der Ausstoß von Treibhausgasen um die Hälfte verringert werden. Und das ohne Verzicht auf wirtschaftliches Wachstum, ohne Neubauprojekte auf der grünen Wiese und hauptsächlich mit Geld aus der Privatwirtschaft. Von Anfang an waren Wirtschaft und Bürger*innen eng in die Entstehung des Projekts eingebunden. "In unseren Räumlichkeiten haben mehr als 4.000 Energieberatungen stattgefunden", erklärt Drescher. "Wir haben insgesamt mehr als 30 Prozent aller Einzeleigentümer*innen erreicht."

Von links: Prof. Dr. Dieter Hecht (stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Ruhr-Forschungsinstituts für Innovations- und Strukturpolitik), Prof. Dr. Manfred Fischedick (Geschäftsführer des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie), Rolf Buch (Moderator des Initiativkreises Ruhr und Vorsitzender des Vorstands der Vonovia SE), Bernd Tischler (Oberbürgermeister der Stadt Bottrop), Burkhard Drescher (Geschäftsführer der Innovation City Management GmbH) und Dirk Opalka (Aufsichtsratsvorsitzender der Innovation City Management GmbH und Geschäftsführer der Initiativkreis Ruhr GmbH). Foto: ICM

In Bottrop wurde angepackt

Die Schüler*innen und Moderator*innen Rebekka Kahnert und Hamda Mahdi erzählten auf der Bühne bei der Abschlussveranstaltung 2021, wie sie die Veränderungen in ihrer Stadt erlebt haben. Die Straßenbeleuchtung wurde eine andere – von Leuchtstofflampen zu LED-Beleuchtung, und auf den Dächern der Häuser Bottrops sah man auf einmal Dutzende Photovoltaikanlagen. Die ehemalige Kohlestadt belegt im Vergleich mit allen kreisfreien Großstädten in NRW den ersten Platz bei der installierten Photovoltaik-Leistung pro Kopf.

Die Bürger*innen Bottrops haben ihre Dächer begrünt, Häuser gedämmt und sich zum Energiesparen vernetzt. "Im Ruhrgebiet werden Dinge angepackt", erklärt Burkhard Drescher. 2021 zog man Bilanz und die Wissenschaft bestätigte: Bottrop hat den Ausstoß an Treibhausgasen halbiert. Doch mit dem Abschluss des Projekts ist die Stadt noch längst nicht am Ende der Bemühungen. Der nächste Schritt: Klimaneutralität bis 2030.

Von Bottrop nach ganz Deutschland

Und wie sieht es im Rest Deutschlands aus? Da wird von Bottrop gelernt! Die Maßnahmen und Erfahrungen, die Drescher und die ICM bei dem Modellprojekt gesammelt haben, werden inzwischen weit über das Ruhrgebiet hinausgetragen und in knapp 50 Quartieren umgesetzt. Zuletzt haben die Berater*innen von ICM in Zusammenarbeit mit dem Berliner Senat ein Büro in der Hauptstadt eröffnet – ebenso in Osnabrück und Frankfurt. Das hat Strahlkraft: Bundeskanzler Olaf Scholz war 2022 in Bottrop zu Besuch, um über das Thema "Klimagerechten Städteumbau" zu sprechen und sich über nachhaltige Stadtentwicklung zu informieren.

Gemeinsam für den Klimaschutz

Die lokale Vernetzung aller Beteiligten hat sich in Bottrop als erfolgreich bewiesen. Doch dieser Erfolg reicht noch weiter – bis in die Zukunft. Denn vor allem die zukünftige Generation wird ihr ganzes Leben lang mit den Folgen des menschengemachten Klimawandels zu kämpfen haben. Umso wichtiger war und ist es, dass Kinder und Jugendliche von Beginn an in diesen Transformationsprozess einbezogen waren – von Workshops für Schüler*innen bis hin zur Präsentation des Ergebnisses selbst.

+++ Zur Person +++

Burkhard Drescher, Geschäftsführer der ICM. Der ehemalige Oberbürgermeister von Oberhausen organisierte und steuerte das Projekt in Bottrop und gilt als einer der wichtigsten Treiber der grünen Innovation im Ruhrgebiet. 

Der Initiativkreis Ruhr

Treiber der Bottroper Transformation

Die Idee und die Initiative für das Projekt stammen vom Initiativkreis Ruhr (IR). Der IR ist ein Wirtschaftsbündnis aus mehr als 70 Partnerunternehmen, das mit Projekten in den Bereichen Wirtschaft, Bildung und Kultur Impulse für die Zukunft des Ruhrgebiets setzt. Darüber hinaus ist der IR ein Netzwerk aus persönlichen Mitgliedern, zum Beispiel CEOs, Geschäftsführer*innen und Rektor*innen der Partnerunternehmen und Institutionen. Gemeinsam möchten sie das Ruhrgebiet nachhaltig weiterentwickeln und die Lebensqualität der Menschen in der Region verbessern.

Das Projekt in Bottrop entstand aus dieser Motivation heraus. Die Mitarbeitenden der vom IR gegründeten Innovation City Management GmbH (ICM) haben es gemeinsam mit allen Akteur*innen der Stadt, von Politiker*innen über Wirtschaftsakteur*innen bis zu Bürger*innen, umgesetzt. "Es war zunächst eine kühne Idee, den Ausstoß an CO2 in der Kohlestadt halbieren zu wollen", sagt IR-Geschäftsführerin Anette Bickmeyer. Zehn Jahre nach dem Startschuss für das Projekt ist dieses Ziel erreicht und hat damit Strahlkraft über das Ruhrgebiet hinaus. Bickmeyer ergänzt: „Mit dem Erfolg in Bottrop ist das Ruhrgebiet zum bundesweiten Vorbild geworden“.

+++ Zur Person +++

Anette Bickmeyer, Geschäftsführerin der Initiativkreis Ruhr GmbH. Sie hat das Bottroper Projekt von Beginn an mitbegleitet. 

Bilder: Burkhard Drescher: ICM / Anette Bickmeyer: Initiativkreis Ruhr / helloyou.studio

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