Lockdown vorbei? Dort wo Gastronomiebetriebe wieder geöffnet haben,müssen die Ladeninhaber*innen Daten der Gäste erheben. Damit das auch sicher funktioniert, nutzt Kevin Kuhn von der Eisdiele I AM LOVE Recover – eine App, die in Zusammenarbeit von Start-ups aus dem Ruhrgebiet und der Rhein-Region entstanden ist.
Wer sich bei I AM LOVE in Bochum eine Kugel Yolorette, Gurken-Milcheis oder ganz klassisch Pistazie gönnt und sich dazu in das helle Ladenlokal setzen will, der muss zunächst zu Zettel und Stift greifen. Das Land NRW fordert von Ladeninhabern*innen neben hohen Auflagen, die Daten ihrer Gäste zu erheben. Falls jemand mit dem Coronavirus infiziert ist und andere anstecken könnte, soll auf diese Weise die Ansteckungskette nachvollzogen werden – und die Verbreitung eingedämmt werden. Name, Telefonnummer, Anschrift: Erst wenn die Daten notiert sind, gibt es in der Eisdiele von Kevin Kuhn ein Eis am Platz.
Zettel abheften, archivieren, Stifte nach jedem Gebrauch desinfizieren: Zettelwirtschaft bedeutet für Kuhn mehr Aufwand. Und auch für die Gäste gibt es eine kontaktlose Möglichkeit, sich bei I AM LOVE als Gast zu registrieren. Kuhn nutzt deswegen in seinem Laden, fünf Gehminuten entfernt vom Schauspielhaus Bochum, die App Recover.
Entwickelt hat die App das Start-up Railslove aus Köln – in nur wenigen Tagen. Als die Landespolitik ihre Bedingungen für die Wiedereröffnung von Gastronomiebetrieben und anderen kleinen Läden öffentlich machte, folgten zwei Tage und Nächte Programmierung – und bekam dabei Support von den befreundeten Gründern des Start-ups 9elements aus Bochum.
Die Kooperation der Start-ups aus dem Ruhrgebiet und der Rhein-Region zeigt: In der Region hält man für die gemeinsame Sache zusammen. Dass auch Kuhn, der in Essen, Witten und Düsseldorf drei weitere Filialen seiner Eisdiele betreibt, mit den 9elements-Gründern befreundet ist, machte es wiederum möglich, die App im Ruhrgebiet schnell in die Praxis zu übertragen.
Für Railslove-Geschäftsführer Jan Kus bedeutet die Entwicklung der App, mit guten Ideen voranzugehen, wenn es darum geht, den Alltag dort digitaler zu machen, wo es sinnvoll ist. „Wenn wir digitale Lösungen wollen“, sagt Kus, „dann müssen wir jetzt handeln.“ Vor allem aber sieht er seine App als Beitrag zu mehr Datenschutz, den eine Zettelablage nicht sicherstellen könne.
Der Gründer mischt sich deswegen auch ein in die politische Diskussion um die Datensicherheit der Zettel-Abfrage, um den Stand der Digitalisierung in NRW und Deutschland. Auf Facebook und LinkedIn debattiert er mit seiner gut vernetzten Community – und hat so auch bereits die Aufmerksamkeit von Unternehmer und Investor Frank Thelen bekommen, der daraufhin seinerseits für innovative Lösungen warb, wie sie die App Recover bietet. Und auch das Gehör der Landespolitiker hat Kus damit offensichtlich gefunden. Denn seit Ende Mai erlaubt es die aktualisierte Coronaschutzverordnung des Landes NRW explizit auch, die Daten digital zu erheben.
Auch bei den Nutzer*innen kommt die App gut an. In der Eisdiele I AM LOVE von Kevin Kuhn sind es immer mehr Leute, die statt zum Stift lieber zum eigenen Smartphone greifen, um sich zu registrieren. Denn sie wissen: Sollte sich tatsächlich jemand mit Covid-19 infiziert haben, der zur gleichen Zeit in der Eisdiele war, dann wird die App das anzeigen. So kann jeder Verdachtsfall sich in Quarantäne begeben und sich auf die Erkrankung testen lassen.
Für Gastronom*innen, Gäste und das Gesundheitsamt
Das bedeutet auch: Die App bietet nicht nur für Gastronom*innen und ihre Gästen eine verantwortungsvolle und wirtschaftliche Möglichkeit, die Auflagen der Landesregierung zu erfüllen. Recover erleichtert auch dem Gesundheitsamt die Arbeit, Ansteckungsketten nachzuvollziehen.
Jan Kus ist es dabei wichtig, dass möglichst wenig Daten erhoben werden und dass sie sicher verschlüsselt sind. Recover speichert keine Bewegungsprofile und zeichnet auch keine Bewegungsmuster auf. Die Daten werden ausschließlich zum Check-In übermittelt. Damit auch jeder nachvollziehen kann, dass die App sicher ist, hat er den Quelltext der Software veröffentlicht. Wer also prüfen möchte, ob Recover wirklich sicher ist, hat mit der Open Source Software dazu die Möglichkeit. Jan Kus appelliert auch an die Tech-Community: „Jeder kann daran mitwirken, die Software weiterzuentwickeln.“
Wer wie Kevin Kuhn seinen eigenen Laden betreibt und sich Arbeitsaufwand sparen möchte, kann die Anwendung Recover zwei Wochen lang kostenfrei nutzen. Danach beträgt die Nutzungsgebühr 15 Euro je Monat.