Mit Künstlicher Intelligenz Pflege besser steuern

Der Fachkräftemangel bringt das Gesundheitswesen an seine Grenzen. Ein Projekt des Bochumer Instituts für Technologie untersucht, wie künstliche Intelligenz helfen kann, die Personalplanung zu optimieren. Ein Beispiel für die erfolgreiche Zusammenarbeit von IT- und Gesundheitssektor im Ruhrgebiet.

Der demografische Wandel stellt unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen. Besonders stark betroffen ist der Gesundheitssektor: Mehr Menschen müssen versorgt und gepflegt werden und zugleich gibt es Fachkräftemangel und zu wenig Nachwuchs. Ärzt*innen und Pflegekräfte in Kliniken und Pflegeheimen sind ohnehin stark belastet – hinzu kommt die Cornonavirus-Pandemie. Künstliche Intelligenz (KI) könnte die Pflegeteams unterstützen, glauben die Macher*innen des Projekts KI-PEPS. PEPS steht für die mittelfristige Personaleinsatzplanung und die kurzfristige Einsatzsteuerung. „Personalplanung ist für Führungskräfte in der Pflege eine zeitaufwendige Aufgabe“, sagt Projektleiter Marc Otten vom Bochumer Institut für Technologie gGmbH (BO-I-T). „Wenn KI diese Aufgabe erleichtert, bleibt mehr Zeit, sich um Pflegequalität und andere wichtige Anforderungen zu kümmern.“ Steht am Ende des Projekts ein funktionierendes KI-Tool, könnte dies Ärzt*innen und Pflegekräfte in ganz Deutschland und darüber hinaus entlasten.

Viele Stellen in der Pflege bleiben unbesetzt

Wie stark Pflegekräfte in Altenheimen und Krankenhäusern derzeit unter Druck stehen, zeigt eine aktuelle Studie der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW): Die Zahl der unbesetzten Stellen ist in der Altenpflege zwischen 2012 und 2018 um 71 Prozent gestiegen, in der Krankenpflege um 40 Prozent. Laut dem Bericht wird der Personalmangel vor allem durch Überstunden abgefedert: 2018 mussten über 80 Prozent der Fachkräfte Überstunden leisten. Zeitmangel und Stress gehören für Pflegekräfte laut BGW zum Berufsalltag. Diese Arbeitsumstände belasten die Gesundheit der Betroffenen: Die Zahl der Krankschreibungstage ist im genannten Zeitraum in der Altenpflege von 25 auf 27,7 Tage gestiegen, in der Krankenpflege von 20 auf 23,5 Tage. Die Corona-Pandemie hat der gesellschaftlichen Debatte darüber, wie die Arbeitsbedingungen in Pflege und Medizin verbessert werden können, neuen Schub gegeben. KI-PEPS könnte dazu einen Beitrag leisten.

Unsere Intelligenz ist das, was uns menschlich macht, und die KI ist eine Erweiterung dieser Qualität.
Yann LeCun, französischer Informatiker und KI-Forscher

Gute Personalplanung erhöht die Mitarbeiterzufriedenheit

Dienstplanung in Heimen und Kliniken erfolgt heute in der Regel mit Software-Systemen, die jedoch manuell bedient werden müssen. Das erfordert organisatorische, soziale und fachliche Kompetenzen, die an anderen Stellen – häufig in medizinischen oder pflegerischen Kernprozessen – dringend gebraucht werden. Etwa 20 bis 30 Prozent ihrer Arbeitszeit muss die Stationsleitung dafür aufbringen. „Die Relevanz von PEPS geht weit über das Einteilen von Diensten hinaus“, sagt André Pradtke. Er ist Geschäftsführer der Pradtke GmbH, die das Projekt gemeinsam mit dem BO-I-T und der contec Gesellschaft für Organisationsentwicklung mbH durchführt. Pradtke entwickelt seit 25 Jahren Software für die Planung und Steuerung des Personaleinsatzes in Krankenhäusern. „PEPS beeinflusst unter anderem die Leistungsqualität, Patientenerfahrungen, Kosten und nicht zuletzt die Mitarbeiterzufriedenheit. Zudem wird die Planung zunehmend komplex: Die Verantwortlichen müssen zwischen knapper werdenden Kapazitäten und gleichzeitig wachsenden Leistungsanforderungen vermitteln.“

KI soll die Arbeit der Planer*innen vereinfachen, nicht ersetzen

Im Projekt wird erforscht, wie die Planer*innen durch den Einsatz von maschinellem Lernen und KI in ihren PEPS-Prozessen unterstützt werden können. „Entstehen soll der Prototyp eines KI-Systems, das mit echten – natürlich anonymisierten – Personal-Einsatzdaten trainiert wird“, sagt Marc Otten vom BO-I-T. „Am Ende soll es in der Lage sein, einen Vorschlag für einen Dienstplan zu produzieren. Der wird dann natürlich noch von einem Menschen überprüft.“ Praxispartner des Projekts sind das Evangelisches Krankenhaus Wesel, das St. Josef Krankenhaus Moers und die pro homine Krankenhäuser und Senioreneinrichtungen Wesel-Emmerich. „Wir arbeiten eng mit den Beschäftigten zusammen. Es geht nicht darum, eine Künstliche Intelligenz zu schaffen, die alle Abläufe bestimmt. Sie ist dazu da, die Pflegekräfte in ihrer Arbeit zu unterstützen. Dazu fragen wir zum Beispiel danach, was aus ihrer Perspektive einen guten Dienstplan ausmacht.“

Cluster Digital Health ist im Ruhrgebiet gut aufgestellt

Das Bochumer Institut für Technologie wurde gemeinsam von Unternehmen, Hochschulen und der Stadt Bochum gegründet, um wissenschaftliche Erkenntnisse der Region vermehrt für wirtschaftliche Wertschöpfung zu nutzen. Wie andere Akteur*innen in der Metropole Ruhr steht sie für die enge Zusammenarbeit zwischen Forschung, Unternehmen und Wirtschaftsförderung in der Region. Das Cluster Digital Health bringt dabei IT-Firmen mit Unternehmen der Gesundheitsversorgung zusammen. „Digital Health ist im Ruhrgebiet hervorragend aufgestellt“, sagt Prof. Dr. Britta Böckmann, Professorin im Lehrgebiet Medizinische Informatik an der Fachhochschule Dortmund. Durch die Vernetzung von medizinischen und pflegerischen Einrichtungen, Ausbildungsinstitutionen und Unternehmen gelinge es immer wieder, spannende Forschungsprojekte zu akquirieren und umzusetzen. „So entstehen praxistaugliche, kreative Ideen und Innovationen, die den Digital Health Standort weiter voranbringen.“

Foto: Shutterstock

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