Andreas Lüning und Kai Figge gründeten G DATA 1985. DIe G DATA CyberDefense AG beschäftigt heute mehr als 500 Mitarbeiter*innen. Vom Ruhrgebiet aus sorgen sie für die Sicherheit von Unternehmen, kritischer Infrastrukturen sowie von Millionen Privatkunden überall auf der Welt. Mit Andreas Lüning haben wir über IT-Sicherheit in Zeiten der Corona-Pandemie und über den Standort Bochum gesprochen.
Herr Lüning, Sie sind ein Pionier im Bereich der Cybersecurity. 1987 haben Sie die weltweit erste Antiviren-Software entwickelt. Haben Sie es damals für möglich gehalten, dass Sie das Thema auch mehr als 30 Jahre später noch beschäftigt?
So weit in die Zukunft haben wir damals sicherlich nicht gedacht. Ich habe damals mit dem Atari ST zwei Viren in meiner Diskettensammlung gefunden. Als ich die entdeckt und analysiert habe, hatte ich ein merkwürdiges Gefühl: Jemand ist eingebrochen und ich habe die Kontrolle verloren. Da habe ich mich dann gefragt: Wie wird sich das Thema entwickeln? Aber dass sich Schadsoftware und Cybercrime zu einem so weit verbreiteten organisierten Verbrechen auswachsen würden, habe ich mir damals nicht ausgemalt.
Welche Art von Malware macht Ihnen gerade besonders zu schaffen und wie gehen Sie dagegen vor?
Derzeit haben wir es vor allem mit einer Schadsoftware-Familie zu tun: Emotet. Die Macher schaffen es auf intelligente Weise, ihre Schadsoftware als seriöse Mail zu tarnen und so zu verbergen. Die Malware lädt sich in einem sehr komplexen Prozess auf den PC. Entsprechend müssen Endpoint-Protection-Lösungen das Verhalten vieler Prozesse analysieren und bewerten. Dafür haben wir 2018 die Technologie „DeepRay“ herausgebracht, die mit Künstlicher Intelligenz und Machine Learning vor derartigen Hacker-Angriffen schützt.
Ihr Unternehmen hat in der Corona-Krise zunehmende Attacken mit Internet-Viren verzeichnet. Wie erklären Sie sich den Zusammenhang?
Die Corona-Pandemie ist eine große Chance für Cyberkriminelle. Denn Unternehmen in der ganzen Welt mussten aufgrund der Pandemie plötzlich auf Homeoffice umschalten. Das überhaupt umzusetzen war für viele Unternehmen eine große Herausforderung. Dementsprechend wurden Sicherheitsaspekte dabei nicht immer sofort mitbedacht. Wenn sie aber viele neue Zugänge in ihr Firmennetzwerk öffnen, öffnen sie auch viele Türen für Angriffe. Ein anderer Angriffsvektor ist das Arbeiten von zuhause selbst, mit vielen neuen und ungewohnten Arbeitsprozessen. Diese Situation erleichtert es Kriminellen, Trojaner über die Mitarbeiter in Unternehmens-Netzwerke einzuschmuggeln. Wenn ihnen dies gelingt, können sie Zugriff auf sensible Daten erlangen und das Unternehmen erpressen. Zwischen einem erfolgreichen Angriff und dem Erkennen seiner Auswirkungen vergehen in der Regel Wochen und Monate. Wir gehen davon aus, dass viele Unternehmen noch gar nicht bemerkt haben, dass sie erfolgreich angegriffen wurden.
Längst sind nicht nur Computer und Smartphones mit dem Internet verbunden, sondern auch andere Produkte vom Fitnessarmband bis zum Auto. Was bedeutet es für IT-Sicherheit, wenn immer mehr Lebensbereiche vernetzt sind?
Wir brauchen ein stärkeres Bewusstsein dafür, welche Daten wir von uns preisgeben. Damit meine ich nicht nur die Daten, die auf dem eigenen Rechner oder dem Firmenserver gespeichert sind. Oft geben wir uns größte Mühe, gerade diese Daten zu sichern. Wohingegen wir in sozialen Netzwerken unbedacht Informationen über uns preisgeben, die besser privat bleiben sollten und die von Cyber-Kriminellen ausgenutzt werden können. Da gibt es zuweilen ein krasses Missverhältnis. Ich denke, dass es immer wichtiger wird, dass Schulen und Eltern die Medienkompetenz bereits bei Jugendlichen vermitteln und Gefahren verständlich ansprechen.
Was spricht für den Standort Ruhrgebiet?
Das Ruhrgebiet – und insbesondere die Stadt Bochum – hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Hotspot für IT-Sicherheit entwickelt. Zum Beispiel durch das Horst Görtz Institut an der Ruhr-Universität Bochum und das Max-Planck-Institut für Cybersecurity und Schutz der Privatsphäre, das vergangenes Jahr ebenfalls in Bochum eröffnet wurde. Wir haben hier ein hervorragendes Angebot an ausgebildeten Fachkräften und wir müssen nur noch dafür sorgen, dass sie auch hierbleiben. Leider denken einige Menschen, die noch nie in unserer Region waren, dass das Ruhrgebiet immer noch mit Kohlenstaub bedeckt ist.
Was erzählen Sie diesen Menschen über das Ruhrgebiet?
Das Ruhrgebiet ist in vielerlei Hinsicht moderner und lebenswerter als sich das viele Menschen vorstellen. Natürlich gibt es hier nicht die eine Großstadt, das Leben verteilt sich auf viele Orte. Dafür hat jede Stadt ihr eigenes Angebot an Clubs, Theatern, Konzerthallen und Freizeitangeboten. Bemerkenswert finde ich zum Beispiel auch, wie viel Grün auf den früheren Zechengeländen entstanden ist und wie weit das Radwegenetz ausgebaut wurde. Ich würde mir wünschen, dass wir die Kohlebergwerke ins Museum packen und mehr über Gegenwart und Zukunft sprechen. Auf dem früheren Opel-Gelände in Bochum etwa entstehen derzeit mehr neue Arbeitsplätze, als es früher in der Autofabrik gab. Wir müssen die Geschichten des neuen Ruhrgebiets erzählen.