Andrea Musacchio

Es sind die Menschen, die aus der Metropole Ruhr gemacht haben, was sie heute ist. Und es sind auch die Menschen, die das Ruhrgebiet von morgen gestalten. Ein Kopf der Transformation: Andrea Musacchio.

Professor Andrea Musacchio beschreibt sich selbst als Wissenschaftler und Abteilungsdirektor. Der Direktor der Abteilung Mechanistische Zellbiologie am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie (MPI) in Dortmund und Honorarprofessor an der Universität Duisburg-Essen hat erst kürzlich die wichtigste Auszeichnung der deutschen Wissenschaft erhalten: den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2020 der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Die Auszeichnung gab es für seine strukturbiologischen Arbeiten zur Verteilung des Erbmaterials während der Zellteilung. Der 58-jährige gebürtige Römer sagt: Mentor*innenschaft ist alles. Denn es war die Unterstützung seines Mentors Gianni Cesareni, die Musacchio das Tor zur Wissenschaft öffnete. Musacchio ist es deswegen ein Anliegen, ebenfalls junge Menschen in der Wissenschaft zu begleiten.

Wie er die Transformation der Metropole Ruhr in seinem Beruf gestaltet, hat uns Andrea Musacchio in einem Fragebogen verraten.

Wir zeigen mit unserer Arbeit, dass wir hier in Dortmund in der Lage sind, im internationalen Maßstab Außergewöhnliches zu leisten. Ich will dazu beitragen, dass das Ruhrgebiet auf dem Radar der anderen erscheint.
Andrea Musacchio, Direktor der Abteilung Mechanistische Zellbiologie am MPI für molekulare Physiologie in Dortmund

Meine Berufsbezeichnung lautet Direktor der Abteilung für Mechanistische Zellbiologie.

Ich beschäftige mich dabei damit, wie sich eine Mutterzelle teilt, um zwei Tochterzellen zu erzeugen. Dieser Prozess ist von grundlegender Bedeutung für die Ausbreitung des Lebens auf der Erde und ermöglicht es Organismen zu wachsen und sich zu vermehren. Manchmal läuft der Prozess schief und setzt eine Kette von Tumorumwandlungen in Gang, die unsere Gesundheit durch unkontrolliertes Wachstum gefährden. Die Grundlagen des Zellteilungsprozesses zu verstehen lässt uns hoffen, dass wir neue Strategien entwickeln können, um dieser tumorösen Transformation beziehungsweise Entwicklung entgegenzuwirken.   

Was ich an meiner Forschung am spannendsten finde, ist die Suche nach Lösungen für alte wissenschaftliche Rätsel, wobei ich neue, originelle Ansätze verwende, an denen andere gescheitert sind. Ich finde es auch sehr spannend, in einer Forschungsgruppe und unter jüngeren Menschen zu arbeiten, Verantwortung und Führung zu teilen und Ideen mit einem positiven, konstruktiven Ansatz zu entwickeln. Es ist ein Privileg, Teil dieser Gemeinschaft zu sein. 

Transformation bedeutet für mich, sich von alten Stereotypen zu befreien, um in der Lage zu sein, sich neue "Marken" zuzulegen – aber mit Substanz, nicht mit Worten. Das kann ein schwieriger, langwieriger Prozess sein, denn Transformation gibt es nicht umsonst. Sie hat ihren Preis und stößt auf Widerstand. Sie fordert ständige Aufmerksamkeit und Selbstreflexion, um ein Verständnis und eine Rationalisierung der eigenen Schwächen zu erreichen. Mitunter muss ein Blick von außen in die Betrachtung einbezogen werden. Es handelt sich um eine Investition, die das Teilen langfristiger Ziele und Visionen erfordert.

Ich gestalte den Wandel im Ruhrgebiet mit der außergewöhnlichen Qualität der Forschung, die meine Mitarbeiter*innen jeden Tag leisten – und durch die Ausbildung einer neuen Generation von hochkompetenten Wissenschaftler*innen, die die Reihen der Industrie, der Hochschulen, der Wissenschaftskommunikation und des Gesundheitssystems verstärken werden. Ich trage auch dazu bei, indem ich mit unserer Arbeit zeige, dass wir hier in Dortmund in der Lage sind, im internationalen Maßstab Außergewöhnliches zu leisten. Ich will dazu beitragen, dass das Ruhrgebiet auf dem Radar der anderen erscheint.

Andrea Musacchio ist Direktor der Abteilung Mechanistische Zellbiologie am MPI Dortmund und Honorarprofessor an der Universität Duisburg-Essen. Bild: MPI für molekulare Physiologie

Ohne die Forschung an meinem Institut würden wir eines unserer Standbeine in einer internationalen Gemeinschaft verlieren, die wir als unseren Bezugspunkt betrachten, von der wir uns inspirieren lassen und die uns helfen kann, den Sprung in den Wandel zu schaffen, den dieses Gebiet braucht. Wir wollen als Vertreter*innen dieses Wandels angesehen werden.

Für mich ist mein Beruf ein Segen. Ich mag manchmal überfordert sein, wenn ich das Gefühl habe, dass der Druck die Grenze dessen überschreitet, was mir an meiner Arbeit Freude bereitet. Aber im Allgemeinen fühle ich mich unglaublich glücklich, Wissenschaftler zu sein. Es gibt noch andere Möglichkeiten, im Leben ein Gefühl der Erfüllung zu finden, aber für mich ist die Wissenschaft nach wie vor die stärkste und erfüllendste von ihnen.

Die Zusammenarbeit mit anderen wissenschaftlichen Instituten im Ruhrgebiet bedeutet für mich, dass wir gemeinsam stärker werden. Das Ruhrgebiet muss lernen, die Grenzen unserer Stadtgrenzen zu überwinden, auf unser Zusammenspiel und unsere Stärke zu bauen und gemeinsam zu einer internationalen Gemeinschaft zu werden. Ich wünsche mir, dass wir von außen als das wahrgenommen werden, was wir werden wollen: die Metropole Ruhr. Je mehr Kontakte, desto besser. 

Das Ruhrgebiet ist für mich eine neue Heimat, die mir und meiner Familie mit viel Großzügigkeit ihre Türen geöffnet hat, wofür ich sehr dankbar bin. Ich bin auch meiner Frau Roberta sehr dankbar, dass sie sich so engagiert dafür eingesetzt hat, dass dieser Umzug und die Integration für unsere Familie so erfolgreich war.

Header-Bild: MPI für molekulare Physiologie

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