Silicon Valley meets Ruhrgebiet: echte Macher*innen am Werk

Das Start-up XignSys will es Nutzer*innen erleichtern, sich digital bei Behörden zu identifizieren. Welche Rolle die Westfälische Hochschule Gelsenkirchen dabei spielt – und wieso der Mitgründer vom Ruhrgebiet als Standort überzeugt ist.

Vier Tische aus Spanplatten, ein paar günstige Bürostühle und ein eigener Briefkasten am Bürogebäude: Als Markus Hertlein und Pascal Manaras im Juli 2016 ihr Start-up XignSys gründeten, war alles noch recht provisorisch. Gerade noch Hochschulabsolventen, mieteten sie sich zum Start einen Raum in der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen (WH) an. In dem arbeiteten sie im kleinen Team von sieben Leuten an einem neuen Authentifizierungsprozess: Nutzer*innen identifizieren sich digital bei Behörden – ganz ohne Passwort. Heute, nur wenige Jahre später, haben sie in Gelsenkirchen ein ganzes Haus angemietet, in dem 33 Mitarbeitende an der hauseigenen Technologie XignIn arbeiten. Zu den Kund*innen zählt unter anderem das Land Nordrhein-Westfalen. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik hat XignIn außerdem nach eIDAS-Sicherheitsniveau als besonders sichere Anwendung bewertet.

Zum Start von XignSys mietete sich das Team noch Tische in der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen an.
Bevor Hertlein mit seinem Team in seinen eigenen Büroräumen starten konnte, stand der große Umbau an.
Das XignSys-Büro heute ...
... - eine moderne Umgebung für das junge Team.

Eine Erfolgsgeschichte, die nur zu diesen Bedingungen im Ruhrgebiet möglich war, ist Hertlein überzeugt. Schließlich spielten im Prozess, in dem die Gründer eine Idee aus der theoretischen Forschung in die Praxis gebracht haben, einige Schlüsselfiguren und -faktoren eine bedeutende Rolle. "Das Ruhrgebiet ist ein perfekter Standort für uns", sagt Hertlein. "Hier haben wir mit der richtigen Hochschule begonnen, den perfekten Motivator kennengelernt und profitieren noch heute vom starken Netzwerk im Bereich Cybersecurity."

Norbert Pohlmann als Professor und Motivator mit Stanford-Spirit

Einen wichtigen Beitrag zur XignSys hat Norbert Pohlmann beigetragen. Der Informatikprofessor gründete 2015 das Institut für Internet-Sicherheit (if(is)) an der WH, ist heute geschäftsführender Direktor und hat das Ruhrgebiet als Standort für Cybersecurity mitgeprägt. Seit seiner Zeit als Gastprofessor an der Stanford-Universität in den USA im Jahr 2013 bringt er das Silicon Valley in die Metropole Ruhr. "Forschung und Unternehmertum habe ich vor Stanford strikt getrennt", sagt Pohlmann. "Dieses Trennen ist typisch für Deutschland, zu groß ist der bürokratische Aufwand, zu getrennt die Bereiche." Doch Pohlmann hat sich vom amerikanischen Spirit inspieren lassen. Als er zurückkam hatte er den großen Willen, Studierende zum Gründen zu motivieren – um gute Ideen aus dem Inneren des Instituts in die digitale Welt zu bringen. Passwörter durch sichere Multifaktor-Authentifikation zu ersetzen war eine dieser Forschungsideen und der Wissenschaftliche Mitarbeiter Hertlein, heute CEO von XignSys, die perfekte Gründerpersönlichkeit.

Professor Norbert Pohlmann während seiner Zeit in Stanford.
Während seiner Gastzeit dort legte er viele Strecken auf dem Uni-Gelände mit dem Fahrrad zurück.
Professor Norbert Pohlmann während einer Vorlesung im Hörsaal der Universität Stanford.

Das Ruhrgebiet: ein Netzwerk, gemacht für die Startup-Szene der IT-Sicherheit

Neben XignSys hat Pohlmann drei weitere Hochschul-Ausgründungen im Bereich IT-Sicherheit begleitet. Dabei bilden sich zwischen allen Parteien Synergien: Pohlmann betreut aktuell sieben Studierende, die ihre Abschlussarbeiten gemeinsam mit XignSys angehen. Das Ziel: Die Forschung in dem Geschäftsfeld vorantreiben. Auch steht der Netzwerker mit Hertlein sowie allen anderen Gründern eng im Kontakt. "Das Netzwerk funktioniert auch über die Gelsenkirchener Stadtgrenzen hinaus sehr gut", sagt der Professor. "Studierende der WH können auch am Horst Görtz Institut der Ruhr-Universität Bochum Module belegen und umgekehrt. Das fördert den Austausch und am Ende profitieren alle von gemeinsamen Arbeiten." Die gut vertretene Hochschuldichte sorge bei den Start-ups außerdem für einen ständigen Nachschub an Fachkräften und klugen Köpfen, ist Pohlmann überzeugt.

Gute Bedingungen zu fairen Preisen

Nach der Gründung hätten Hertlein und Manaras über Berlin als Standort nachgedacht, gesteht der Gründer – galt die Hauptstadt damals als Leuchtturm für Gründer*innen. "Wir haben uns Innovationlabs und Workspaces angeschaut und waren uns schnell einig: Mit Produkten und Dienstleistungen im Bereich Cybersecurity hatten wir im Ruhrgebiet viel mehr Chancen, zielstrebig und nachhaltig in der Unternehmenswelt Fuß zu fassen", sagt Hertlein. "Es gab und gibt hier auch heute noch so viel Potenzial." Mieten seien günstig, vor allem in Gelsenkirchen. Das und das starke Netzwerk seien der Grund, weshalb Unternehmer*innen und weitere Gründer*innen aus der IT-Sicherheit aus anderen Bundesländern auf das Ruhrgebiet schielen, um sich dort einen Standort aufzubauen.

Blick in die Zukunft: (Stadt-)Grenzen weiter aufbrechen

"Künftig wäre es schön, wenn Wirtschaft, Kommunen sowie alle anderen Hochschulen der Metropole Ruhr noch mehr im Kontakt ständen und auf Augenhöhe miteinander fungieren", wünscht sich Hertlein. Auch Pohlmann denkt schon an die nächsten Schritte. Zum Beispiel wären kollektive Forschungsprojekte mit großen und kleinen Playern der hiesigen Wirtschaft, Kommunen und Start-ups in Form von Reallaboren eine gute Idee, sagt er. "Gemeinsam gehen wir zum Beispiel SmartCity-Projekte im Ruhrgebiet an, um für die IT-Sicherheit der digitalen Zukunft sorgen." Genügend geballtes Potenzial gäbe es.

+++ zur Person +++

Norbert Pohlmann ist Gründer und geschäftsführender Direktor des Instituts für Internet-Sicherheit der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen. Der Informatikprofessor hat 2013 als Gast an der US-amerikanischen Universität in Stanford gelehrt. Seine Zeit dort hat den einstigen Unternehmensgründer und heutigen Hochschulprofessor geprägt. Heute setzt er sich dafür ein, theoretische Forschungsideen in die Praxis zu bringen. Dafür fördert er Gründer*innen-Persönlichkeiten, die ihm während seines Hochschulalltags positiv auffallen. Neben diesem ist er in Sachen IT-Sicherheit ebenfalls sehr aktiv. Mit 29 Jahren hat er den Bundesverband IT-Sicherheit e.V. mitgegründet, seit fast 30 Jahren hält er dort den Vorsitz. Weitere Vorstandsverbandsaktivitäten im Bereich der Internetwirtschaft sowie Beiratspositionen bei Unternehmen, bei DE- und EU-Gremien von Ministerien, Behörden und Start-ups erweisen sich als hilfreich für sein Netzwerk.

+++ zur Person +++

Markus Hertlein ist Mitgründer vom Gelsenkirchener Start-up XignSys. Während sein XignSys-Partner Manaras schon damals beim Fußball der zurückgezogene Torwart war und sich auch heute im Hintergrund hält, kämpfte sich der heute 37-jährige Hertlein als Stürmer nach vorne, wie er selbst erzählt. "Eine Rampensau", beschreibt sein Professor ihn. Hertleins Passion für die digitale Welt entwickelte sich schon früh: Mit 13 programmierte er mit alten CDs und DVDs neue Computerspiele und verkaufte diese auf dem Schulhof. „Der Wunsch zum Gründen war schon immer da. Am Ende braucht man jemanden, der einem den letzten Schubs gibt“, sagt Hertlein heute. Künftig ein weiteres Mal zu gründen, steht bei ihm auf der To-Do-Liste – wieder im Ruhrgebiet.

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Bilder:

XignSys, Markus Hertlein
Professor Norbert Pohlmann, Westfälische Hochschule Gelsenkirchen
Horst Görtz Institut

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